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Die uralte Metropole Bd. 2 - Lilith

Die uralte Metropole Bd. 2 - Lilith

Titel: Die uralte Metropole Bd. 2 - Lilith Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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zurückgelegt habe.«
    »Du solltest dir eine neue Strategie zulegen.«
    »Ja, denke ich auch.«
    Emily schlug den Kragen hoch und folgte Adam durch ein Armenviertel. Die Rue Faubourg wirkte auf Emily wie das oberirdische Gegenstück zum Brick Lane Market, so indisch und orientalisch muteten die Menschen und die Waren, die sie feilboten, an. Sie passierten das Kaufhaus Tati und bewegten sich stetig nach Norden, bergaufwärts.
    Dann durchschritten sie ein Tor aus kunstvoll behauenem Kalkstein: Der wild grinsende Mund eines Narren mit großen Augen war der Eingang zur Rue des Martyrs.
    »Dies«, begrüßte Adam sie in seinem Viertel, »ist Montmartre.«
    Und wie es seine Art war, erzählte er. Davon, dass der Berg Mont Marat mit seinen Weinbergen, billigen Schenken und lustigen Windmühlen einst zu einem beliebten Ausflugs- und Vergnügungsziel der Pariser Bevölkerung geworden war, was nicht zuletzt daran gelegen hatte, dass der Berg außerhalb des Stadtgebietes gelegen hatte und die Lokalsteuer, der Octroi, dort nicht erhoben werden durfte. Die billigen Mieten und das Flair hatten dann die Künstler angezogen.
    »Die Künstler«, sagte Adam, »sind heute noch hier.«
    Und wenngleich Montmartre jetzt kein Dorf mehr war, so umwehte die schmalen Gassen, die sich bergaufwärts wanden, doch noch ein Hauch von Nostalgie und Bohème.
    An den Straßenecken standen bereits zu dieser Tageszeit Musikanten, und das, obwohl es eisig kalt war und die Finger nicht lange in die Saiten würden greifen können, bevor sie vor Kälte erstarrten. Freudenhäuser, die Maisons de tolérance, säumten manche Gassen. Wenige Touristen schlichen mit ihren Kameras durch die Gegend.
    »Dort ist es!«
    Adam führte sie zu einer Absteige in der Rue Durantin, die genau so aussah, wie man sich eine Absteige in einem Pariser Künstlerviertel vorstellte. Putz, der von den nassen Wänden bröckelte, ein Café im Erdgeschoss, das rauchverhangen war und in dem es von schrägen Gestalten nur so wimmelte. Ein Schild, dessen Inschrift nahezu verblasst war und aus dem letzten Jahrhundert zu stammen schien, prangte über dem Eingang.
    »L’Hotel Absinthe de Montmartre«.
    Das war der Name des Etablissements, das Adam Stewart sein Zuhause nannte.
    »Komm, ich stelle dich den anderen vor.« Und schon zog er Emily ins Innere des Cafés.
    Sofort umfing sie eine wohlige Wärme, und der Rauch, der ihr in die Augen drang, ließ Lady Mina die Schnauze rümpfen.
    Kein Ort in der Stadt hätte geeigneter sein können, um als Treffpunkt für Bohemiens zu dienen, die auch allesamt genau so aussahen, wie man sich Bohemiens vorstellte. Abgetragene Jacken, geringelte bunte bodenlange Schals, Mützen und Hüte aller Formen und Farben, Nickelbrillen und solche mit durchsichtigen bunten Gläsern, Hände, die Bleistifte hielten, und solche, die Zigaretten drehten. Augen, den beiden Neuankömmlingen teils abweisende, teils exaltierte Blicke zuwarfen.
    Die Wände waren hell, einer jener sanften, schlammfarbenen Gelbtöne, und geschmückt mit Bildern von Modigliani und Braque und Utrillo. Auf runden Tischen standen überquellende Aschenbecher und Kerzen in ausgedienten, wachsbetropften Weinflaschen. Hier und da steckte ein Intellektueller seine Nase in eine Tageszeitung, und mit ein wenig Glück fand man zwischen den herumliegenden kaffeebefleckten Ausgaben das zerfledderte Exemplar eines alten »Pariscope« oder einer »Revue Blanche« oder des »L’Officiel des Spectacles«.
    Ein kleiner Mann mit kurz geschnittenem schwarzem Haar und einem Kneifer, der auf der knolligen Nase saß, die das schmale Gesicht mit den wachsamen Augen und dem schwarzen Bärtchen dominierte, bahnte sich seinen Weg durch die Menge.
    »Adam Stewart«, begrüßte er den Jungen, »und dazu noch in so hübscher Begleitung.« Er blieb vor Emily stehen, und erstaunt stellte das Mädchen fest, dass er ihr nur bis zur Schulter reichte. »Bonjour Mademoiselle.« Bevor Emily etwas erwidern konnte, hatte er ihre Hand ergriffen und hauchte einen Kuss darauf. »Wenn ich mich vorstellen darf«, plapperte er drauf los, »mein Name ist Henri de Toulouse-Lautrec-Monfa-Celeyran.« Er lispelte und sabberte auch ein wenig, wenn er so schnell sprach. »Maler und Dichter und Künstler.« Er benutzte einen Gehstock, den er pausenlos hin und her schwang. »Wir alle hier sind eine große Familie, nicht wahr, Adam? Ja, wir werden die Welt verändern mit dem, was wir tun.«
    Alle in dieser seltsamen Stadt, dachte Emily, scheinen

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