Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die uralte Metropole Bd. 2 - Lilith

Die uralte Metropole Bd. 2 - Lilith

Titel: Die uralte Metropole Bd. 2 - Lilith Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
Vom Netzwerk:
niemals wieder aufgetaucht waren in den Mauern von Rotherhithe.
    »Was ist mit all den Kindern geschehen?«
    Jemand klatschte laut in die Hände.
    Alle Köpfe wandten sich der Tür zu.
    »Diese Frage, Miss Laing«, hörten wir alle die schneidende Stimme des berühmten Arztes, »sollte ich Ihnen beantworten.«
    Das rote Haar trug er jetzt offen.
    Lässig schritt er mit wehendem Arztkittel durch den Raum, lehnte sich gegen die Wand neben dem Krankenbett und betrachtete die Anwesenden mit verschränkten Armen. »Und Master Wittgenstein ist, wie ich sehe, auch anwesend.« Er lächelte mir zu. »Meinem alten Freund Doktor Pickwick geht es hoffentlich gut?« Er wandte sich Emily zu, dann Eliza. »Wie ich in den Gesichtern lesen kann, wissen Sie nunmehr über das kleine Geheimnis von Miss Fitzrovia Bescheid.« Er schüttelte den Kopf. »Seien Sie nicht traurig«, fuhr er fort, »denn wenn uns das, was wir vorhaben, gelingt, dann wird Lilith schon bald wieder unter uns weilen, und London wird Ghulchissar zur Hölle schicken.« Er zog die spiegelnde Sonnenbrille aus, und die hellen Raubtieraugen blickten kalt in den Raum. »Nennt mich Dr. Moreau«, verkündete er, die Situation auskostend, »Graf von Saint-Germain.« Er grinste. »Dr. Dariusz.« Lächelte freundlich. »Al-Vathek.«

Kapitel 2
Finstere Machenschaften

    »Ich habe dich infiziert, Emmy.« Aurora Fitzrovia wirkte noch immer untröstlich.
    »Ja, das hast du.«
    »Das wollte ich nicht.«
    Emily umarmte sie.
    Stumm formten ihre Lippen ein Versprechen.
    Und Aurora flüsterte: »Was auch kommen mag.«
    Die Zeit hielt den Atem an, und sie waren wieder die Waisenmädchen, die alles gemeinsam durchstehen würden.
    Dann weinten beide.
    Und als die Tränen verschwanden, da musste Emily an ihre Mutter denken, an Mia Manderley, die aus Moorgate entführt worden war. Damals, als sie ihr in der Dachkammer von Manderley Manor zum ersten Mal gegenübergestanden hatte, war sie einem Tier ähnlicher gewesen als einem Menschen. In ihrem aus Zeitungsfetzen gemachten Nest hatte sie gehockt und die Anwesenden angefaucht. Mit wilden Augen und fettigen Haaren.
    »Wo ist meine Mutter?«, entfuhr es ihr plötzlich.
    »Sie ist an einem sicheren Ort«, antwortete Eliza.
    »Wo?«
    »Du wirst es erfahren.«
    »Ist sie eine Vinshati?«, wollte Emily wissen. Sie hatte die Vinshati in der uralten Metropole ja gesehen. Die irren Blicke in den blutunterlaufenen Augen.
    »Nein.«
    »Sie verhält sich aber wie eine.«
    »Mia Manderley ist verrückt«, antwortete al-Vathek und verbesserte sich sogleich: »Verwirrt. Die Entführung war nur vorgetäuscht. Einerseits ein Mittel zum Zweck, um Sie alle zur Kooperation zu bewegen. Andererseits wollte ich Mia Manderley aus London fortbringen, weil ihr dort Gefahr droht.«
    »Ich verstehe nicht ganz.«
    »Sie werden, Miss Laing, wenn die Zeit dafür gekommen ist.«
    »Oh, bitte!
    »Noch«, beschwichtigte sie al-Vathek, »ist nicht alles verloren.«
    Was immer das bedeuten mochte.
    »Sie sollten uns jetzt erklären, was hier wirklich passiert«, schlug ich vor und fügte mit einem Blick auf meine Schutzbefohlene hinzu: »Die Zeit ist mitnichten unser Verbündeter.«
    Emily atmete flach.
    Wirkte angespannt.
    Erschöpft.
    Al-Vathek schaute zur Decke, wo die Neonröhre unruhig flackerte. Dinsdale hatte sich dort oben niedergelassen, weil es warm und hell war.
    »Rotherhithe«, begann er schließlich, »ist der Ort, an dem es begann. Und so soll dort auch die Geschichte beginnen, die ich zu erzählen habe.« Er wirkte überheblich, und dennoch war da etwas, das tiefste Resignation hätte sein können. »Sie alle wissen nun, Miss Holland sei Dank«, er verneigte sich in Elizas Richtung, »mit wem sie es zu tun haben. Ja, ich bin ein Wiedergänger und von Carathis zu dem gemacht worden, was ich heute bin. Schon lange habe ich versucht zu ergründen, was dieses Dasein ausmacht.« Er hatte die Angewohnheit, beim Reden die Hände hinter dem Rücken zu verschränken und im Raum auf und ab zu laufen. »Für Sie alle sind die Wiedergänger wie Tiere, die es zu jagen gilt. Man hat uns geächtet und aus London vertrieben.« Er verzog das Gesicht, als empfinde er einen tiefen Abscheu. »Dabei sind nicht wir diejenigen, die unzivilisiert töten. Nein, es ist Carathis, die Leid über die Menschen bringt. Die ganze Landstriche mit ihrer Seuche verdorben hat.« Seine Worte troffen vor Zorn. »Sie ist ein Monster.« Leiser wurde die Stimme. »Auch ich habe einst geliebt und

Weitere Kostenlose Bücher