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Die uralte Metropole Bd. 2 - Lilith

Die uralte Metropole Bd. 2 - Lilith

Titel: Die uralte Metropole Bd. 2 - Lilith Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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erleben müssen, zu welchem Ende diese Liebe verdammt war.«
    Emily dachte an Ägypten und das schaurige Ende der Nefer-titi.
    »Damals schwor ich mir, dem Leiden, das unser Leben begleitet, ein Ende zu bereiten.« Er wirkte jetzt nicht mehr überheblich. »Miss Wilhelmina White, die ich kennen lernte, als sie gemeinsam mit John Milton jenes Buch über das verlorene Paradies niederschrieb, und Reverend Dombey, der früher den Namen Murdstone getragen hatte, führten in London Experimente durch, mittels deren sie das Leben zu ergründen versuchten. Sie untersuchten das Blut in seinen winzigen Bestandteilen zu einer Zeit, als die Medizin nicht mehr war als Teufelswerk und Wissenschaftler nur allzu oft auf dem Scheiterhaufen enden mussten.«
    »Sie haben Kinder aus dem Waisenhaus für ihre Forschungen missbraucht«, warf ihm Emily vor. »Sie haben Aurora Fitzrovia Dinge angetan, die unbeschreiblich gewesen sind.«
    Gequält schaute Aurora in die Runde.
    »Unbeschreiblich?« Al-Vathek fixierte das Mädchen. »Das sicherlich nicht. Glauben Sie mir, Worte dafür zu finden ist nicht sehr schwierig.«
    »Was haben Sie ihr angetan?«
    Es war Eliza, die antwortete: »Es war nichts als ein Zufall.«
    Den Kommentar dazu verkniff ich mir.
    »Reverend Dombey suchte bereits seit Jahren nach einer Essenz, die das Leben zu verlängern vermochte. Wie ich erst später erfuhr, tat er dies schon seit Jahrhunderten im Auftrag des Lichtlords. Wilhelmina White, die niemand Geringeres war als die Lady Lilith, stand ihm mit Rat und Tat zur Seite.« Al-Vathek drehte sich auf dem Absatz um und blieb vor der Rättin stehen. »Täuschung«, sagte er, »ist schon immer die Domäne des Lichtlords gewesen. Und, das sei hier angemerkt, seiner Gefährtin. Wilhelmina White, die mir seit Jahrhunderten bekannt war und sich immer für eine unserer Art ausgegeben hatte, zog mich als wissenschaftlichen Berater hinzu, als die Forschungen des Reverends an einem, verzeihen Sie den Ausdruck, toten Punkt angekommen waren. Die Aussicht auf Heilung von dieser Existenz, die zu führen wir gezwungen sind, war mehr als verlockend. Und der Preis?« Er schnippte mit den Fingern. »Wenn man so alt ist, wie ich es bin, so viele Kulturen hat zerfallen sehen, so vielen Menschen Verderben gebracht hat, dann wird das Leben des Einzelnen unbedeutend. Menschen, pah! – leben sie nicht, ohne jemals zu erkennen, was das Leben eigentlich ausmacht? Ja, meine Gäste. Es ist der Tod, der das Leben ausmacht. Dies ist die Erkenntnis, die jedem Wiedergänger zuteil wird. Erst die Angst vor dem Tod gibt dem Leben einen Sinn, ist es nicht so?«
    »Sie könnten auf den Punkt kommen«, meldete ich mich höflich zu Wort.
    »Den Waisenkindern von Rotherhithe wurde mittels der Gerätschaften, die ich gebaut hatte, etwas entnommen, das man als reinen Lebenswillen hätte bezeichnen können. Das Leid, das sie in ihrem Leben erfahren hatten, stärkte diesen Lebenswillen. Leider gelang es uns nur unzureichend, daraus einen Trank zu brauen, der für unsere Zwecke taugte.«
    »Und Aurora?«
    »Sie kam nach Rotherhithe, weil es der Zufall so wollte«, schaltete sich Eliza ein, »oder aber, weil es keine Zufälle gibt. Doch wusste dort niemand, wer sie wirklich war.«
    »Der Reverend wählte sie aus, weil sie ihm als geeignet erschien«, meinte al-Vathek. »Wir schlossen sie an die Gerätschaften an, und als die Elektrizität durch ihre Adern zu fließen begann, da zeigte sich der Wille eines Wiedergängers.«
    »Es hat wehgetan«, hörte Emily ihre Freundin murmeln, und ihr war, als sei sie wieder in der Mädchentoilette des Waisenhauses, wo ihr Aurora zum ersten Mal von dem fremden Haus und dem gut gekleideten Herrn und Madame Snowhitepink berichtet hatte. »So verdammt weh hat es getan. Was sie mit mir getan haben. Was die weiß geschminkte Frau getan hat.«
    »Ihr Geist hat sich wie wild gesträubt, und ihr Blut hat«, er suchte nach geeigneten Worten, »beängstigend reagiert.« Selbst Al-Vathek schien die Erinnerung an diesen Vorfall unangenehm zu sein. »Ihr Blut schien förmlich zu kochen. Die Haut begann Blasen zu werfen. Sie schrie. Ihre Gedanken drangen in unser aller Bewusstsein ein, und in der Dunkelheit, die sie dort säten, erkannte ich eine Nachtschwärze, die ich vor langer, langer Zeit gesehen hatte. An den Gestaden einer Wüste, wo sich eine schreckliche schwarze Stadt erhoben hatte.« Al-Vathek musste kurz innehalten, bevor er fortfuhr: »Als Carathis mich in Ghulchissar zu einem

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