Die uralte Metropole Bd. 2 - Lilith
wusste natürlich von den Unruhen, die London erschüttert hatten. Die Whitechapel-Aufstände gehörten der Vergangenheit an, doch die Manderley-Krise war noch frisch in der Erinnerung der Menschen. Und Lord Mushroom war noch immer davon besessen, die Vorherrschaft über die Grafschaften in der uralten Metropole Londons zu erlangen. Allerdings ist Manderley Manor noch immer die bestimmende Kraft in der Stadt der Schornsteine, und der Zuspruch, den Mylady Manderley im Senat genießt, ist ungebrochen.« Er lächelte. »Tatkräftige Unterstützung, dachte ich mir, wäre bestimmt eine willkommene Geste, um eine alte Freundschaft neu aufleben zu lassen.«
Eine schreckliche Gewissheit überkam Emily. »Ihr habt ihm Unterstützung durch die Vinshati angeboten?«
Al-Vathek setzte sich auf den Rand des Bettes neben Aurora und faltete die Hände. »Ich führte ihm vor Augen, dass er, gegen eine gewisse Gegenleistung, eine skrupellose Göttin namens Carathis als Verbündete gewinnen könne, wenn er ihr die Überreste der Lady Lilith anböte.«
»Was ihm bestimmt gefallen hat.«
»Lord Mushroom kannte die Geschichte von Lucifer und Lilith und musste in Erfahrung gebracht haben, dass Lucifer die Asche seiner Liebsten in die Hölle gebracht hatte.« In die Hölle, deren Zugänge in London von den Engeln des Urielitenordens versiegelt worden waren.
Eliza erklärte: »Damals in Budapest haben wir Doktor Pickwick kennen gelernt, der sich in der Zwischenzeit zu einem famosen Höllenforscher entwickelt hatte.«
»Du warst an der Entwicklung des Planes beteiligt?«
Sie nickte Emily zu.
»Maßgeblich«, sagte al-Vathek.
»Carathis verlangte es schon lange nach dem Kopf ihrer Mutter. Außerdem halten sich in keiner Metropole der Welt mehr Götter und Engel auf als in London. Carathis würde also eine reichhaltige Tafel vorfinden.« Ein dunkler Schatten legte sich über sein Gesicht. »Schon früher hat sie Götter und Engel gemordet. Der Tod des Seth war ihre Rache für Dinge, die geschahen, als die Welt jung war. Die Urieliten ließ sie zum Vergnügen töten. Wie gesagt, sie ist ein Monster. Ihre Motivation ist niederster Natur.«
»Welchen Plan habt Ihr verfolgt?«
»Der Handel war einfach. Lazarus, der während der Manderley-Krise in den Diensten Lord Mushrooms gestanden hatte, nahm Kontakt zu Carathis auf und versprach ihr, dass sein Lord ihr die Überreste der Lady Lilith besorgen würde. Und als Gegenleistung verlangte er die Unterstützung durch Vinshati-Truppen.«
»Carathis würde Liliths Kopf bekommen und Mushroom seine Unterstützung.« Emily konnte nicht fassen, zu welchem Preis al-Vathek sich das, was er zu erreichen versuchte, hatte erkaufen wollen.
»Doch was war Ihre Motivation, al-Vathek?«
»Die alles entscheidende Frage, nicht wahr, Wittgenstein? Nun, ich will es Ihnen sagen. Lord Mushroom musste mir versichern, dass er im Falle einer gelungenen Machtergreifung dafür Sorge tragen würde, dass Wiedergänger erneut durch die Straßen Londons und der uralten Metropole würden wandeln dürfen. Das war der Preis für die Unterstützung, die ich ihm zuteil werden ließ.«
»Aber das wollten Sie nicht wirklich.«
»Nein.«
»Sondern?«
Musste man ihm denn jedes Wort aus der Nase ziehen?
»Ist das nicht offensichtlich? Ich musste Carathis nach London locken, durfte aber niemals selbst mit ihr in Kontakt treten, da sie sonst Verdacht geschöpft hätte. Lilith war der Köder und sollte zugleich ihr Untergang sein. Denn wenn Lilith wieder zum Leben erweckt wird, dann wird sie die Macht besitzen, Carathis zu vernichten.«
»Und die Blutlinie zu kappen?«
»Ja.«
»Wie?«
»Ich weiß es nicht.«
Toll, dachte Emily.
Alle spielten sie falsch. Lord Mushroom wollte die Macht in London erlangen und Manderley Manor seines Einflusses und Vermögens berauben. Carathis wollte Lilith töten. Und al-Vathek wollte sie alle gegeneinander ausspielen. Denn wenn es ihnen gelänge, Lilith zurück ins Leben zu bringen, dann würde sie Carathis den Garaus machen, die Vinshati würden verschwinden, Lord Mushroom wäre dort, wo er hingehörte, und die Wiedergänger wären …
Was?
Erlöst?
Gerettet?
Konnte es denn so einfach sein?
»Was bedeutet es, wenn die Blutlinie endet?«
»Es gibt eine Legende«, erklärte uns Eliza, »wonach in jener Stunde, in der die Wurzel allen Übels verbrennt, unser aller Blut von der Sünde gereinigt werden wird.« Sie lächelte. »Was immer das bedeuten mag.«
»Prophezeiungen haben eben
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