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Die uralte Metropole Bd. 2 - Lilith

Die uralte Metropole Bd. 2 - Lilith

Titel: Die uralte Metropole Bd. 2 - Lilith Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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jedoch unsere Schönheit zu behalten, unsere Jugend, unser Aussehen, müssen wir einen weitaus höheren Preis bezahlen.« Sie wischte sich die Tränen aus den hellen Augen. »Wir sind dazu verdammt, Kinder zu zeugen. Kinder, durch deren Blut wir die Reinheit unserer Gestalt behalten. Wir würden altern, erklärte mir al-Vathek schon damals, wenn wir nicht vom Blut unserer Nachkommen tränken. Deshalb, das wurde er niemals müde zu betonen, sei es wichtig, die Nachkommen nicht zu lieben. Wir dürfen keine Gefühle für unsere Kinder hegen, weil dies unser Handeln hemmen würde.« Sie lachte traurig. »Die grundlegenden Dinge des Lebens sind so einfacher Natur. So boshafter Natur. Unsere Kinder leben allein, um für uns zu sterben.«
    »Deswegen hat Carathis Aurora fortgegeben?«
    Eliza nickte. »Auch Carathis muss sich diesem Gesetz beugen.«
    »Und Maurice Micklewhite?« Wie lange kannte ich den Elfen nun schon? Ein kleiner Junge war ich gewesen, als ich nach London gekommen und ihm vorgestellt worden war. Im Britischen Museum, bereits damals.
    Nun denn.
    Letzten Endes war er immer für Überraschungen gut gewesen.
    »Master Micklewhite war ihrem Charme erlegen, so einfach ist das.«
    Emily musste an das insektenhafte Wesen denken, dem wir in der U-Bahn begegnet waren.
    »Die Wiedergänger verfügen über Fähigkeiten, die eine Gegenwehr unmöglich machen. Maurice Micklewhite ist von Carathis verführt worden. Was immer sie wollte, was er in ihr sieht – glaubt mir, genau das hat er gesehen.«
    »Warum hat sie dir vertraut?«, wollte Emily wissen.
    »Das hat sie gar nicht. Sie wollte, dass ihr Kind in London aufwächst, wo sie es jederzeit hätte aufsuchen können. Carathis wusste, wer der Vater ist, und in seinem Haus wäre Aurora aufgewachsen.«
    »Und al-Vathek?«
    »Al-Vathek bemerkte, dass Aurora die Tochter der Carathis ist, als er sie das erste Mal sah. Er witterte es förmlich. Und als er es erkannt hatte, da verlangte er von mir, das Kind zu beseitigen.«
    Aurora war bleich geworden. »Aber wieso?«
    »Es war anzunehmen, dass Carathis mehreren Kindern das Leben geschenkt und diese an verschiedenen Orten auf dem Kontinent verteilt hatte. Doch würde sie zumindest in London niemanden mehr vorfinden, der sie verjüngen und ihr neue Kraft schenken konnte.«
    Eliza wirkte traurig, und Emily konnte sich in diesem Moment vorstellen, wie sie als junges Mädchen nach England zurückgekehrt war.
    »Al-Vathek gab mir die Order, das Mädchen zu beseitigen«, wiederholte sie. »Und ich habe tatsächlich mit dem Gedanken gespielt, es zu tun.« Sie schluckte. »Letzten Endes jedoch konnte ich es nicht.«
    Und sie erzählte.
    Davon, wie sie mit Aurora durch den Herbstregen geirrt war, die scharfe Fingernadel in ihrer Manteltasche. Wie sie schließlich ganz verzweifelt im Stadtteil Fitzrovia gestrandet war und das Mädchen an einer belebten Kreuzung zurückgelassen hatte. Ein roter Briefkasten hatte dort gestanden, gleich neben einer überdachten Haltestelle, und sie hatte das Bündel teilweise mit einer Plastikfolie umwickelt, die ihr ein Zeitungshändler freundlicherweise überlassen hatte.
    »Ich war diejenige, die dir deinen Namen gegeben hat«, gestand Eliza. »Damals, noch auf dem Schiff, das uns nach England gebracht hat. Und ich habe den Namen auf einen Zettel geschrieben und bei dir zurückgelassen, weil es der Name war, der zu dir gepasst hat.«
    Aurora konnte kaum glauben, was man ihr da sagte.
    Ganz fest hielt sie Emilys Hand.
    »Irgendjemand würde dich schon finden, dachte ich, naiv, wie ich damals war. Würde dich finden und dir ein Zuhause geben. Carathis wüsste nicht, wo sie dich finden kann, und du hättest ein normales Leben führen können.« Eliza schüttelte den Kopf. »Ich habe mich geirrt, in allem. Denn wie ich später erfuhr, wittern die Wiedergänger ihren Nachwuchs. Sie spüren ihn anhand seiner Gedanken auf. Ja, so finden wir unsere Beute.«
    »Und al-Vathek?«
    »Glaubte, ich hätte dich getötet.«
    Es war Emily, die sagte: »Du bist in Rotherhithe gewesen.«
    Eliza lächelte dünn. »Auch wenn Wittgenstein das Gegenteil behauptet, Emmy, aber manchmal gibt es wirklich Zufälle.« Sie stand auf und begann in dem Krankenzimmer unruhig auf und ab zu gehen. »Nachdem ich Aurora in Fitzrovia ausgesetzt hatte, bin ich durch die Stadt gestreift, ganz rastlos, und nach einer Stunde zur Haltestelle zurückgekehrt, doch da war das Kind schon längst fort. Ja, jemand hatte Aurora gefunden.«
    »Aber ich

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