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Die uralte Metropole Bd. 2 - Lilith

Die uralte Metropole Bd. 2 - Lilith

Titel: Die uralte Metropole Bd. 2 - Lilith Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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Dampfschiff
Demeter
bestiegen, welches am Abend des gleichen Tages mit Kurs auf Lissabon auslief. Nach einem kurzen Zwischenstopp in Portugal würden wir in zwei Tagen die Straße von Gibraltar passieren, um nach weiteren zwei Tagen unser vorläufiges Ziel zu erreichen.
    Alexandria.
    Ich sehe mich noch deutlich an der Reling stehen, das sanfte Wiegen des Schiffes unter meinen Füßen, den salzigen rauen Wind in meinem Gesicht. Englands weiße Klippen verschwanden langsam in der Ferne, und ich begann mich zu fragen, wohin diese Reise uns beide, meinen Bruder Thomas und mich selbst, wohl führen würde.
    Eigentlich hatte alles mit einem Freund meines Vaters begonnen, George Herbert, dem fünften Earl von Carnarvon, der Thomas und mir ein derart großzügiges Angebot unterbreitete, das wir es unmöglich hätten ausschlagen können. Lord Carnarvon, enorm vermögend aufgrund seiner Abstammung und der späteren Heirat in die Familie Rothschild, hatte eine feurige Leidenschaft für Antiquitäten aller Art. Darüber hinaus war er ein fanatischer Anhänger des Automobilsports. Nachdem er um die Jahrhundertwende einen Autounfall in Deutschland mit schweren Verletzungen überlebt hatte, suchte er 1903 zum ersten Mal Ägypten auf – in erster Linie wegen des milden Klimas –, da ihm dauerhafte Atembeschwerden die Wintermonate in England zur Hölle machten. Dort begegnete er einigen archäologischen Expeditionen, die in ihm den Wunsch weckten, sich auf diesem Gebiet zu betätigen. 1906 begann er seine erste eigene Ausgrabung, musste jedoch nach einiger Zeit erkennen, dass seine Fachkenntnisse höchst unzureichend waren.
    Er suchte Rat bei einem seiner Freunde, Professor Gaston Maspero, dessen Vorlesungen Tom und ich am Trinity College in Oxford gehört hatten, und der zu jener Zeit Leiter des
Service des Antiquités
in Kairo war.
    Durch Maspero machte Lord Carnarvon die Bekanntschaft eines gewissen Howard Carter, der seit mehr als zehn Jahren im Tal der Könige nach bislang unentdeckten Gräbern suchte.
    Und es war jener Howard Carter, der im Jahre 1917 damit begann, nach einem neuen großen Grab zu suchen, das zu finden er wohl höchst zuversichtlich war.
    Finanziert wurden diese Grabungen von Lord Carnarvon, und als Howard Carter 1919 weitere Mitarbeiter suchte, erinnerte sich Lord Carnarvon der beiden Kinder eines seiner Freunde, die in Oxford studierten. Feldforschung, bekundete er unserem Vater, wäre genau das Richtige für uns beide.
    Diese Wendung der Dinge also verschlug Tom und mich auf die
Demeter
: uns wurde angeboten, auf unbestimmte Zeit als wissenschaftliche Mitarbeiter an den Grabungen Howard Carters teilzunehmen, die Arbeit in der Wüste nahe Karnak zu dokumentieren und bei der Auswertung der alten Schriften und Fundstücke, die Auskunft über die genaue Lage des Grabes geben konnten, zu assistieren.
    Voller Enthusiasmus packte ich meine Koffer, begierig darauf, die Reise zu beginnen.
    Arthur Holmwood, der mir versprochen hatte, mich noch vor Ende des Jahres zu ehelichen, zeigte sich nur wenig begeistert von meinem Vorhaben. Arthur war als Arzt ein zutiefst rational denkender Mensch und wurde nicht müde, mir die Gefahren des fernen Kontinents vor Augen zu halten. Verseuchtes Wasser, Sandstürme, Banditen, Treibsand, giftiges Getier, politische Unruhen – er gab sich alle Mühe, mir diese Reise auszureden und mich davon zu überzeugen, dass eine baldige Beendigung meines Studiums und eine Anstellung an einem der Lehrstühle in Oxford nicht zuletzt unserer gemeinsamen Zukunft dienlich sein würde.
    Letzten Endes jedoch blieb ihm nichts anderes übrig, als meinen Entschluss zu akzeptieren.
    Zum Abschied überreichte mir Arthur einen kostbaren Federhalter, damit ich ihm fortwährend von meinen Erlebnissen berichten könne, was zu tun ich ihm natürlich versprach. Als das Schiff den Hafen verließ und die offene See ansteuerte, erfüllte mich ein Gefühl wiedergewonnener Freiheit.
    Denn während der letzten Wochen hatte mir Arthur mehr und mehr das Gefühl gegeben, einer bestimmten Rolle entsprechen zu müssen. Nicht zuletzt sein ständiges Beharren auf meinem Verbleiben in England hatte eine nie gekannte innere Unruhe in mir aufkommen lassen. Im Grunde meines Herzens war ich froh darüber, die Reise nach Ägypten allein antreten zu können. Die Verlobung im Mai dieses Jahres und die Ankündigung Arthurs, mich baldmöglichst zu heiraten, hatten den Eindruck in mir erweckt, als würde mein Leben ausschließlich von

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