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Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen

Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen

Titel: Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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Fegefeuern, wo die anderen bereits warme Decken und dicke Kissen ausgebreitet und Stühle und Bänke in einem Kreis aufgestellt hatten.
    »Wir sind schon seit Stunden hier«, gestand uns Aurora.
    »Du musst mir von allem berichten.«
    »Das werde ich.«
    Ich warf den Mädchen einen tadelnden Blick zu.
    Denn das Palaver begann.
    Tristan Marlowe, der mich mit einem Kopfnicken begrüßt hatte, berichtete in angemessener Knappheit von dem Angriff der Nebel, dem Besuch bei den sieben Schwestern, Lord Uriel, seinen Mutmaßungen. Ich schloss mich ihm an und unterrichtete die Anwesenden von unserer Begegnung mit Mylady Manderley und Miss Monflathers sowie den Dingen, die sich in Kew Gardens Hall zugetragen hatten.
    »Wir haben geahnt, dass es einen Zusammenhang geben könnte«, antwortete Tristan Marlowe, fügte dann aber leise und etwas kleinlaut mit einem seltsam schuldbewussten Blick auf Emily hinzu: »Leider zu spät, als dass wir etwas hätten tun können.«
    »Nun kennen alle die Fakten«, erklang erneut Eliza Hollands Stimme, »und es ist an der Zeit, dass wir Pläne schmieden, damit wir dem Elend, das London in den nächsten Tagen zusetzen wird, etwas entgegenzusetzen haben.« Sie hockte im Schneidersitz auf einem Tisch vor einem der Kamine, ganz in der Engel alter Art. Die Flammen beleuchteten sie von hinten, ließen das blonde Haar gülden schimmern und zauberten unruhige Schatten in das hübsche, geheimnisvolle Gesicht. »Doch vorher«, fuhr sie fort, »muss ich eine Geschichte erzählen.« Sie hob die Hände und strich sich eine Strähne des blonden Haars aus dem Gesicht. Emily erkannte, dass noch immer die alten Tätowierungen ihr Handgelenk zierten und die Ringe an ihren Fingern nach wie vor Legion waren. »Es ist meine eigene Geschichte, die ich erzählen werde, denn es ist wichtig, dass Sie wissen, was auch ich weiß.«
    Und so lauschten wir ihren Worten.
    Wie Musik wurden sie von der Wärme der Feuer getragen.
    Leise.
    Nicht zu überhören.
    »Sie müssen wissen, dass ich gemeinsam mit Doktor Pickwick die Kreise der Hölle durchstreifen wollte. Den Limbus zu finden, das war unser Ziel gewesen.« Ihre hellen Augen glitzerten wie von ungeweinten Tränen, und ihre Stimme bebte, als sie sagte: »Denn Menschen, die man liebt, gibt man nicht so einfach auf.«
    Emily dachte an Adam Stewart und fühlte sich so leer, dass sie am liebsten laut losgeheult hätte. Verstohlen beobachtete sie Aurora. Neil hatte die Hand seiner Freundin ergriffen und sah sie oft von der Seite an. Glücklich, wieder mit ihr vereint zu sein. Die Welt, dachte Emily, kann wirklich ungerecht sein. Sofort schämte sie sich für diesen Gedanken. Nein, so durfte sie nicht denken. Und doch hatte sie es getan. Was dies über sie aussagte? Mit einem Seufzer schüttelte sie diese unliebsame Grüblerei ab. Aurora und Neil hatten einander gefunden, und das war gut so. Punktum. Trotzdem. Sie war von einer abgrundtiefen Traurigkeit erfüllt und hätte alles dafür gegeben, Adam jetzt neben sich zu wissen.
    Dann war da noch Tristan Marlowe, der sie zu beobachten schien und schnell den Blick niederschlug, wenn er den ihren bemerkte.
    Doch auch darüber wollte sie jetzt nicht nachdenken.
    Nein, eigentlich wollte sie über gar nichts nachdenken, was mit ihrem Herzen zu tun hatte.
    Was immer auch geschehen würde, Adam Stewart wäre in Paris in Sicherheit, und nur das zählte.
    »Miss Laing?« Sie schreckte auf, als ich sie ansprach. »Alles in Ordnung?«
    Sie kniff die Lippen zusammen und schüttelte leicht den Kopf. »Fragen Sie nicht, ja?!«
    »Versprochen.«
    Auch Eliza, die einst Lilith gewesen war, vermisste ihren Geliebten, mit dem sie doch die halbe Ewigkeit verbracht hatte. Im Limbus hatte sie ihn zu finden gehofft.
    Lucifer.
    Den Lichtlord.
    Master Lycidas.
    John Milton.
    »Ha, so viele Namen«, hatte er damals gesagt und gelacht. Im Tower von London, wo er sie empfangen hatte. Wo er sie geheilt hatte von dem Gift, das durch ihren Körper geströmt war.
    Der Lichtlord, der gegen des Träumers Regime aufbegehrt hatte, war vor sechs Jahren in der uralten Metropole gestorben, als er gegen den Nyx gekämpft hatte.
    Doch nichts, das wussten wir alle, stirbt jemals für immer.
    »Ich bin davon überzeugt, dass Lucifer noch lebt.« Es klang trotzig, wie Eliza das sagte. Die Wahrheit jedoch war, wie immer, ganz einfacher Natur. »Ich spüre einfach, dass er noch lebt.« Es war, als blickten die Katzenaugen in eine andere Welt. »Er kann gar nicht tot sein,

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