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Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen

Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen

Titel: Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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sie einen verstohlenen Blick auf den Engel.
    »Was ist passiert?«
    »Sie brachten zusammen, was sich nicht verbinden darf«, erklärte Sariel, und mit einem Mal schüttelte er sich wie ein Vogel an einer Tränke. »Loderndes Feuer und eisiges Wasser. Beide sind einander in Feindschaft verbunden.« Flammen in den Augen zauberten ein schreckliches Bild in die Worte, die des Engels Mund verließen. »Gabriel brachte das Feuer in mir mit dem Wasser, das seine Hände formten, fast zum Erlöschen. Es war wie ein Traum aus tiefen Fluten, aus dem es kein Erwachen gibt. In Ketten gehalten und fast sterbend, gab ich winselnd preis, was niemals für Gabriels Ohren bestimmt war.«
    Mit kühler Stimme sagte Eliza: »Ihr habt Lucifer verraten.«
    Sariel senkte den Blick. »Ich war schwach, aber ich habe ihn geliebt.«
    Eliza schüttelte den Kopf. »Nein, Ihr wart nur jung.«
    »Ich habe meinen Bruder und alle, die fest an seiner Seite standen, verraten.«
    »Denkt nicht mehr daran.«
    »Wie könnte ich es jemals vergessen. Wie könnte ich das vergessen, was mich zu dem gemacht hat, was ich heute bin? Durch mich hat Gabriel von dem Ort erfahren, der einmal das Paradies gewesen war. Der auf ewig das Paradies hätte sein können. Nein, es ist meine Schuld. Durch mich haben die Mala’ak ha-Mawet von Pandaemonium erfahren. Sie kamen hierher, und die Wüstenei, die damals geboren wurde, war übersät mit den Leibern toter Engel. Nein, Mylady, ich trage eine bittere Schuld, und ich trage sie schon so lange mit mir herum, dass ich mich nicht einmal mehr daran erinnern kann, wie mein Leben ausgesehen hat, bevor ich diese Last aufgebürdet bekam. Deswegen, meine Freunde, bin ich mit Euch gekommen. Deswegen habe ich Lord Uriel inständig darum gebeten, mich gehen zu lassen.« Er wirkte erleichtert, nun, da es ausgesprochen war. »Auch Rahel hat sich geopfert. Er hat Liebe empfunden und sein Leben gegeben, damit neues Leben erblühen konnte.«
    Eliza wusste, was er meinte.
    Ein Raubvogelschrei zerschnitt die Worte des Engels.
    Alle schauten nach hinten.
    Die Mala’ak ha-Mawet hatten sich bedrohlich genähert. Wütende rote und schwarze Tätowierungen prangten in ihren Gesichtern, kalt wie die Tiefsee in pechschwarzer Finsternis. Die Flügel waren von einem dunklen Grau, die Körper in schwarzen glanzlosen Samt gehüllt. Sie fletschten die Zähne, die spitz waren, und stießen, je näher sie kamen, immer öfter jenen schrillen Ton aus, der tief aus ihren Kehlen ans Licht kroch. Seltsame Schwerter hielten sie in ihren Klauen.
    »Sie werden uns töten«, murmelte Aurora nur.
    Etwas rüttelte an dem Teppich. Schnell und hastig.
    »Ihr müsst Euch festhalten«, wisperte der Wüstenwind.
    Flink suchten alle nach einem Halt. Aurora hielt sich am Teppich und an Neil fest, der ganz dicht neben ihr kniete. Sie spürte seinen Atem und das Zittern seiner Hände. Was aber auch immer geschehen würde, Aurora war sich sicher, dass Neil an ihrer Seite bleiben würde. Er würde sie nicht noch einmal verlassen, und dieses Gefühl war es, das ihr die Kraft gab, nicht zu verzagen. War es das, was auch Eliza und Lucifer verband?
    Die Raubvogelschreie waren nah.
    Nah wie die Schneeflocken.
    Aurora spürte erneut die Kälte.
    Und dann tauchte El-Khamsin wie wild in die Tiefe hinab, und Aurora hatte das Gefühl, sich übergeben zu müssen. Niemals im Leben war sie in eine Achterbahn gestiegen, allein das Zuschauen hatte ihr bereits Angst gemacht. Nicht einmal das große Riesenrad drüben am Südufer der Themse hatte sie besteigen wollen. Sie mochte nun einmal den festen Boden unter ihren Füßen. Da wusste sie, wo sie war.
    Und dieser Boden, das sah sie nun unweigerlich, raste unaufhörlich auf sie zu.
    Aurora schrie.
    Panisch.
    Weil sie einfach nicht anders konnte.
    Ein Blick zurück genügte, um ihr zu zeigen, dass die Mala’ak ha-Mawet dem Teppich folgten. Die grauen Schwingen hatten sie eng an den Körper gelegt und schossen wie Pfeile in die Tiefe hinab, wo der alte Teppich auf den Händen des Wüstenwindes ein waghalsiges Manöver nach dem anderen durchführte, um schneebedeckte Dünen herumflog, Haken schlug und von einer Sekunde zur nächsten die Richtung änderte. Schnee wirbelte er dabei in Massen auf, und nach einer Weile klammerte Aurora sich nur noch an Neil und den alten Teppich. Längst hatte sie die Augen geschlossen, und selbst die Schreie entwichen nicht länger ihrem Mund. Alle Kraft nutzte sie, um sich festzuhalten.
    In wild wirbelnden

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