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Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen

Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen

Titel: Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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Kreiselbewegungen fegte El-Khamsin über die Dünen und ließ ein dichtes Schneegestöber aufsteigen, in dem es ein Leichtes sein sollte, sich zu verstecken.
    »Sind sie fort?«, wollte er wissen, als er langsam wieder zur Ruhe kam.
    Aurora und Neil schauten sich wachsam um.
    Sariel spähte misstrauisch in das Weißüber ihnen.
    Eliza saß still da und legte erneut die flachen Hände auf den Teppich, als wolle sie auf diese Art dem Wüstenwind danken für das, was er gerade getan hatte.
    »Wo sind wir?« Das Mädchen hatte vollends die Orientierung verloren, weil alles um sie herum reines Weiß war. Schnee türmte sich ringsum auf, und irgendwo hoch oben wirbelten die Schneeflocken, die El-Khamsin aufgeschreckt hatte.
    »Wir sind«, hauchte der Wüstenwind, »vorerst in Sicherheit.«
    »Na, hoffentlich.«
    Aurora war sich da nicht so sicher.
    In einer Senke befanden sie sich, und zu allen Seiten ragten hohe Dünen auf. Hoch über ihnen fegte der von El-Khamsin verursachte Schneesturm, und irgendwo jenseits davon oder vielleicht sogar mitten darin mochten sich die Mala’ak ha-Mawet befinden und nach ihnen suchen.
    »Wir sind ihnen entkommen, Liliza.«
    »Ich danke Euch, Khamsin.«
    Aurora wunderte sich noch immer über diese seltsame Anrede. Nur der Wüstenwind nannte Eliza so. Und Eliza widersprach ihm nicht einmal. Dabei hatte sie doch darum gebeten, dass man sie Eliza nannte. So und nicht Lilith oder irgendwie anders.
    Am Ende, dachte Aurora, ist es nicht wichtig.
    Namen.
    Sind Schall.
    Und verklungene Lieder.
    Sie betrachtete die Schneeflocken, die sich auf dem Teppich niederließen und langsam das Muster unter sich begruben. Sie bemalten den Teppich nach und nach mit dem Weiß des Winters.
    Und oben heulte es.
    Wirbelte es.
    »Als befänden wir uns im Auge des Sturms«, flüsterte Neil neben Aurora, die schnell ihres Freundes Hand ergriff und in die Stille hineinlauschte, jene Stille, die tatsächlich stiller war, als man es der Stille in der Hölle zugetraut hätte.
    »Wir müssen leise sein«, warnte Sariel. »Die Mala’ak ha-Mawet haben gute Ohren. Dennoch dürfte sie das Schneegestöber verwirren. Was uns einen Moment Zeit verschafft.«
    »Wir müssen fort von hier«, drängelte Aurora.
    »Geduld«, mahnte Eliza, »Geduld.«
    Das Mädchen war unruhig. Sie hatte den dunklen Engeln in die Augen gesehen und nur Kälte und Leere erblickt. Es war finstere, einsamste Nacht gewesen, tief in den Augen der Mala’ak ha-Mawet.
    Außerdem war das Dünental eine Sackgasse. Zu allen Seiten schoben sich die Wände steil in die Höhe. Wollten sie diesen Ort hier verlassen, so müsste sie El-Khamsin wieder hinaufbringen. Und wenn ihnen die Mala’ak ha-Mawet den Weg abschnitten, dann …
    Nein, darüber wollte sie jetzt nicht nachdenken.
    Sie waren nun einmal hier, und daran ließ sich nichts mehr ändern.
    »Es gibt eine Geschichte«, sagte Sariel, »die man sich bei den Engeln am Oxford Circus erzählt.«
    Neil und Aurora standen auf und streckten die Glieder. Unter ihren Füßen bewegte sich der Teppich, als verberge er etwas Lebendiges unter dem staubigen Stoff.
    »Wir haben einen Augenblick Zeit.« Eliza blieb geduldig im Schneidersitz sitzen.
    »Es gibt einen Weg, so sagt man, der direkt in den Limbus hinein zu führen vermag«, offenbarte der Lichtengel den Anwesenden. Die Flammen in den Augen loderten jetzt hoch. »Doch wie alle Wege, die zu gehen den wenigsten erlaubt ist, so ist auch dieser hier steinig.«
    Aurora starrte ihn an.
    »Außerdem hat kein Engel zuvor diesen Weg beschritten.«
    Konnte es sein, dass er die ganze Zeit über gewusst hatte, wo das Ziel der Reise lag?
    »Warum habt Ihr früher nichts davon gesagt?«
    Das Feuer seiner Augen flackerte unruhig. »Weil dies hier der Zeitpunkt ist«, antwortete er mit einer Stimme, die eine leise Melodie war, »auf den ich so lange gewartet habe.«
    »Das verstehe ich nicht.« Selbst Eliza fragte sich demnach, wovon der Engel sprach.
    »Das müsst Ihr auch nicht, Mylady. Ihr werdet wissen, was ich meine, wenn es so weit ist.«
    »Was ist das für eine Geschichte, die Ihr uns erzählen wolltet?« Neil war bis zum Rand des Teppichs gegangen und schaute zögerlich nach unten. Dann hob er den Blick und suchte das schneetrübe Firmament nach raubvogelartigen Verfolgern ab.
    »Ich werde sie Euch erzählen, natürlich werde ich das«, versprach Sariel. Und weil Lichtengel für ihr Wort einzutreten pflegen, berichtete er von dem, was man sich am Oxford Circus

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