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Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen

Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen

Titel: Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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sind.«
    »Mort war ein Waisenjunge in den Straßen von Edinburgh gewesen. Dann brachte mich Mylady nach London, und ich wurde zu Mortimer Hampstead. Doch erst Rima zeigte mir, wer ich wirklich bin: Mortimer Wittgenstein. Das ist mein Name, Miss Laing.«
    Emily spürte die Traurigkeit, die in diesen Worten steckte. Sie selbst war eine Manderley, Erbin des großen Hauses vom Regent’s Park, die Tochter von Richard Swiveller und Mia Manderley. Und doch war sie Emily Laing aus Rotherhithe. Es war, wie es war. Sie würde immer nur Emily Laing aus Rotherhithe sein, komme was wolle.
    »Wir sind es, die den Namen erst eine Bedeutung geben«, flüsterte sie nachdenklich.
    »Ja, Miss Laing. Und nun lassen Sie uns von der Straße verschwinden, bevor …«
    Ein lauter Schrei zerfetzte die Winterstille direkt über uns. Bevor wir wussten, wie uns geschah, stürzte aus einem der Fenster der Herberge im zweiten Stockwerk ein Körper auf die Straße und schlug mit einem dumpfen Geräusch auf dem nassen Kopfsteinpflaster auf.
    Emily zuckte zusammen und hielt sich die Hand vor den Mund, um den Schrei zu ersticken.
    Tristan Marlowe sprang von der Tür zurück und hielt seinen Gehstock mit beiden Händen einsatzbereit.
    »Was ist denn das?«, zischte er erschrocken.
    Da war ein Heulen, wie von Wind. Es war, als wehe es aus dem Fenster in die Nacht hinaus.
    »Haben Sie das gehört?«
    »Seien Sie leise!« Schnell packte ich das Mädchen und zog es in den Schatten der Hauswand.
    Über uns baumelte das Schild mit der Aufschrift »Das grüne Gesicht« im Wind. Der Körper war dagegen gestoßen, und ein Fetzen dunklen Stoffes klebte blutig an einer Ecke des Schildes.
    Tristan Marlowe ging schnellen Schrittes zu dem Toten hin, beugte sich über den Leichnam und versuchte zu ergründen, was gerade geschehen war. Aus dem Fenster hoch oben war kein Laut zu vernehmen, kein Heulen, nichts. Doch nach und nach erwachten die umliegenden Häuser zum Leben. Der Schrei war so laut gewesen und das Splittern des Fensterglases so boshaft, dass die Stille der Nacht zerschnitten worden war und die Menschen aus ihrem Schlaf aufgeschreckt waren.
    Auch in der Herberge gingen die Lichter an, und ein Gewirr von Stimmen erklang.
    »Ist er tot?«, fragte ich.
    Tristan Marlowe wirkte grimmig. »Mausetot.«
    »Wer war das?« Emily rührte sich nicht von der Stelle. Ganz starr vor Schreck war sie.
    »Es gibt keine Zufälle.« Ich betrachtete den Toten. Es war unwahrscheinlich, dass sich ausgerechnet nach unserer Ankunft ein Mann aus eben jener Herberge, die aufzusuchen unsere Absicht war, zu Tode stürzte. Ebenso war es kaum als wahrscheinlich anzusehen, dass wir zufällig Zeugen eines Mordes geworden waren.
    Nein, dies hier hatte, wie so vieles, etwas zu bedeuten.
    Tristan Marlowe bückte sich und drehte den toten Mann auf den Rücken.
    »Die Polizei wird gleich hier sein. Sie sind schnell.« Tristan Marlowe wurde unruhig.
    Die toten Augen starrten leblos und ohne Glanz in die Dunkelheit über uns.
    »Sie sehen so aus, als würden Sie ihn kennen«, stellte Marlowe fest.
    Ich trat an den Leichnam heran. Ein gestärktes weißes Hemd, darüber eine Weste. Eine Taschenuhr an einer Kette. Schütteres Haar, das sonst immer säuberlichst gekämmt gewesen war. »Herr Charousek«, hörte ich mich den Namen aussprechen. »Ihm gehört die Herberge.«
    Woher ich ihn kannte, fragte keiner.
    Gut so.
    »Was ist das da in seinem Gesicht?« Emily hatte Derartiges noch nie zuvor gesehen.
    Es waren winzige Einstiche, die umgeben waren von blauvioletten Blutergüssen, vier mitten auf der Stirn, vier auf der rechten Wange und weitere am Hals. Die Blutergüsse bildeten Halbmonde, als habe sich jemand oder etwas an dem Gesicht des alten Mannes festgekrallt.
    »Ein Spuk«, stellte Marlowe fest, als er die Male sah.
    Emily spürte, dass der Ärger begann.
    »Sie wissen, wer das getan hat?«
    Tristan Marlowe schüttelte den Kopf. »Ein Spuk führt Aufträge aus.«
    »Sie sind unsichtbar, zumeist.« Was hatte dies alles nur zu bedeuten? »Wenn es einer war, dann ist er längst verschwunden. Oder aber er beobachtet uns.« Als ich den beunruhigten Blick des Mädchens erkannte, fügte ich hinzu: »Er wird uns gewiss nichts tun.«
    Ein Fenster in der Nachbarschaft wurde aufgerissen. Jemand rief etwas in die Gasse hinunter.
    Marlowe trat rasch in den Schatten. »Wir sollten verschwinden, bevor die Polizei eintrifft.«
    Dem war nichts hinzuzufügen.
    »Wir haben aber doch nichts getan.«
    »Als

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