Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen

Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen

Titel: Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
Vom Netzwerk:
können.
    »Wird Lord Uriel sich von Euch anführen lassen, jetzt, da Ihr kein Engel mehr seid?«
    Lucifers Blick sprach Bände. »Fragen Sie besser nicht, Wittgenstein.«
    Lilith hielt seine Hand und sah ihn von der Seite her ängstlich an. »Ich will dich nicht noch einmal verlieren«, flüsterte sie. »Die Urieliten sind nie unsere Verbündeten gewesen. Aber wenn sie deine Schwäche wittern, dann …«
    Emily wusste nicht, wie sie sich den beiden gegenüber verhalten sollte. Eliza war Lilith gewichen. Und Lucifer, in dessen Macht wir unsere Hoffnungen gesetzt hatten, war sterblich und schwach geworden. Nichts, außer seiner Vergangenheit, unterschied ihn von uns.
    »Es gibt nur einen einzigen Weg«, stellte der Lichtlord fest. »Dieser Weg ist der Weg, den ich allein gehen muss. Und er führt zum Oxford Circus. Was dort geschehen wird … ich vermag es nicht zu sagen. Uriel ist einst mein Bruder gewesen. Und er wird sich vielleicht an die Zeit erinnern, in der wir das Licht des Himmels geteilt haben.«
    »Ich werde mit dir kommen.« Lilith wirkte so unsicher, wie Emily sie selten zuvor erlebt hatte. »Lucifer.« Der Name war eine beschwingte Melodie aus ihrem Mund. Doch war die Furcht ein tiefer Ton, der die Melodie untermalte. Von der einstmaligen Madame Snowhitepink war kaum mehr etwas übrig geblieben. Alle Herrschsucht war verschwunden. Die Maske war aufgezehrt, endgültig.
    »Dann soll dies unser Weg sein«, bekräftigte der Lichtlord die Worte seiner Gefährtin.
    Und so verließen die beiden Moorgate Asylum, mit nichts als der Zuversicht als ihrem Begleiter.
    Emily Laing wusste, dass uns all das, was wir während der letzten Tage zu erreichen versucht hatten, wie Sand durch die Finger rann, und fragte sich, welche Rettung es jetzt noch für London geben konnte. Die Lade des Bundes hatte keine mächtige Waffe enthalten. Mit leeren Händen waren wir in die rastlose Stadt der Schornsteine zurückgekehrt.
    Das war alles.
    Punktum.
    »Wir haben nichts erreicht«, sagte Marlowe niedergeschlagen und schaute Emily ganz kurz an.
    Doch Emily wollte gar nicht darüber nachdenken, was den jungen Alchemisten vielleicht sonst noch bedrückte. Es war nicht die Zeit dafür.
    Das war sie nie.
    Würde sie niemals sein.
    Irgendwie war sie sich dessen sicher.
    Tristan Marlowes Weg würde nicht der ihre sein.
    Und jetzt, als sich unser aller Wege an diesem Abend trennten, da schritt auch der junge Alchemist schweigend von dannen. Zu seinem Boot im Regent’s Park kehrte er zurück.
    »Sie besitzen ein Boot?«, hatte Emily ihn gefragt. Ganz überrascht, weil er nie auch nur ein einziges Wort darüber verloren hatte. Insgeheim hatte das Mädchen immer angenommen, er wohne im Britischen Museum.
    »Ja, dort lebe ich.« Mehr hatte er ihr nicht geantwortet.
    Und war schon verschwunden.
    Neil Trent und Aurora Fitzrovia, die nach Hampstead Heath hinauffuhren, wirkten müde und dennoch seltsam trunken vor Glück. Sie hatten sich gefunden, und das war gut so.
    Alle schienen einander gefunden zu haben.
    Emily seufzte.
    Doktor Dariusz verabschiedete uns, und wir folgten einem der Krankenpfleger zum Mund des Wahnsinns, durch den wir in die Welt der Moore hinaustraten. Die alte London Bridge ließen wir hinter uns und suchten zielstrebig die nächste U-Bahn-Station auf.
    »Morgen«, sagte ich meiner Begleiterin, »werden wir hoffentlich etwas Genaueres in Erfahrung bringen.« Denn am späten Nachmittag des kommenden Wintertages wollten wir uns im Britischen Museum treffen, um Neuigkeiten auszutauschen.
    Und nun?
    Seltsam leer fühlten wir uns.
    Als wir die Circle Line nahmen, da wurde uns bewusst, dass wir uns bereits jetzt wie Krieger fühlten, die eine entscheidende Schlacht verloren hatten und deren Kräfte aufgezehrt waren. Krieger, die ohne jede Zuversicht dem letzten der vielen Gefechte entgegensahen.
    »Es wird nicht gut ausgehen, dies alles.«
    »Verlieren Sie nicht den Mut, Miss Laing.«
    Wir standen in einem fast leeren Abteil.
    Draußen huschten die Positionslichter der Rangiergleise an den Fenstern vorbei.
    Die uralte Metropole war ein anderer Ort geworden.
    Man konnte es spüren, es lag in der Luft.
    »Darf ich Ihnen eine Frage stellen?«
    »Kann ich Sie davon abhalten?«
    Sie zog eine Grimasse, aber freundlich.
    »Na also!«
    Emilys Gesicht spiegelte sich im Fenster des Abteils, während Werbetafeln für Zahnpasta und iPods im Bahnhof Great Portland Street vorbeiflogen. »Heilt die Zeit Wunden?«
    Ich betrachtete das Mädchen.

Weitere Kostenlose Bücher