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Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen

Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen

Titel: Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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gewesen sein?
    »Wir werden sehen.«
    Lucifer war der Nächste.
    Wir anderen folgten ihm.
    In einem Wirbel aus Spiegelscherbenbildern flogen wir nach London. Sahen so viele Dinge, die wir vergessen hatten. Sahen, was tief in uns verborgen war, konnten die Seele erahnen und die Vergangenheit greifen.
    Am Ende landeten wir in Moorgate Asylum.
    »Die Spiegel«, begrüßte uns Dr. Dariusz, »sind die Fenster zu einer Vielzahl von Orten.« Er lächelte süffisant, als wir, einer nach dem andern, aus einem der Spiegel in seinem Arbeitszimmer hervortraten. »Es ist schön, Sie alle wieder hier zu wissen.« Sein Blick verfinsterte sich. »Es geschehen Dinge in den Straßen, die aufgehalten werden müssen. Manderley Manor und Mushroom Manor bekämpfen sich wieder einmal, muss ich zu meinem Leidwesen feststellen.«
    »Sind Sie derjenige gewesen, der Dorian Steerforth nach Prag geschickt hat, um uns zu helfen?«
    Dr. Dariusz nickte. »Ich besitze ein überaus eigenartiges Gemälde, Wittgenstein. Dorian Steerforth hat aber, will ich anmerken, dem Plan zugestimmt, ohne dass ich jenes Bildnis überhaupt erst hätte erwähnen müssen.«
    »Sie meinen, er hat uns wirklich helfen wollen?«
    »Dorian Steerforth ist ein Golem, ein Aphrodit, ein uraltes Wesen. Er ist, was er ist, weil er so erschaffen wurde. Was er getan hat, war meist das, was seiner Natur entsprach. Er hat selten eine Wahl gehabt. Doch manchmal hat auch ein uraltes Wesen eine Wahl. Und manchmal, wenn auch selten, kommt es vor, dass auch uralte Wesen die richtige Entscheidung treffen.«
    »Er ist tot«, sagte Emily nur.
    Dr. Dariusz zog langsam die Sonnenbrille aus, und die Augen mit der hellen Iris blickten gedankenverloren ins Leere. »Bedauerlich«, murmelte er. »Wirklich bedauerlich.« Er schritt mit hinter dem Rücken verschränkten Händen im Raum auf und ab. »Dann sollten wir uns den Anblick seines Bildnisses ersparen.«
    »Woher wussten Sie eigentlich, dass wir uns in Prag aufhalten?«
    Der Doktor zwinkerte Mylady Lilith zu.
    »Die Spiegel sollten von Anfang an unser Fluchtweg sein.« Seit der Lichtlord wieder an ihrer Seite weilte, waren selbst ihre Augen wieder mehr Lilith als Eliza. »Das war so geplant gewesen. Von Dorian Steerforth jedoch hatte ich nichts gewusst.«
    »Es gibt noch andere Teilnehmer an diesem Spiel.«
    »Wen meinen Sie?«
    Dr. Dariusz gab sich geheimnisvoll. »Das werden Sie bald erfahren.«
    »Nun sagen Sie es schon!«
    »Die Person, die Steerforth ins Spiel brachte, will ungenannt bleiben.« Das war alles, was er dazu sagte. »Doch sollten wir uns nun, denke ich, nicht mit Unwichtigem aufhalten. Wenden wir uns lieber dem wirklich Wichtigen zu.«
    Und so berichtete er uns von dem, was sich seit unserem übereilten Aufbruch in der Stadt der Schornsteine zugetragen hatte. Von dem Begräbnis Mia Manderleys und der Lady Pasteurella Pestis, die, wie überall gemunkelt wurde, ins Eastend zurückgekehrt war und sogar zahlreiche Opfer in Westminster gefordert hatte; das Massaker am Westminster Market jedenfalls schrieb man ihr zu. Von den zahlreichen Truppen, die beide Häuser mobilisiert hatten, um endlich eine Entscheidung zu erzwingen, erzählte er uns auch. Von Söldnern aus dem Norden, Andabatae-Kriegern und hungrigen Wölfen. Von den Nebeln und der Dürre. Von Elend und Tod, Tumulten und Zwist.
    »Die Grenzen der Grafschaften werden bewacht, und der Handel ist ganz zum Erliegen gekommen. Misstrauen herrscht überall und ist mittlerweile fast so schlimm wie die Krankheiten, die der Nebel mit sich bringt. Überhaupt sind diejenigen, die von den Nebeln befallen werden, die reinsten Marionetten. Sie tun willenlos, was ihnen die Nebel zu tun auftragen. Die Marktplätze von New Cross Gate existieren nicht mehr, weil die Dürre alles Lebendige verbrannt hat. Elephant & Castle wurde zerstört, und die Grafschaften der City verbarrikadieren sich seit Tagen schon.«
    »Wir müssen etwas tun«, sagte Lucifer, der kein Engel mehr war, sondern ein gewöhnlicher Sterblicher. »Ich werde Lord Uriel um Unterstützung bitten.« Er sah noch aus wie damals, als Emily ihm im Tower zum ersten Mal begegnet war. Und in den Augen erkannte sie sogar Lucia del Fuego, die lange Jahre als graue Jägerin in Manderley Manor gedient hatte. Die ihre Mutter gekannt hatte. Die ihrer Mutter Vertrauen besessen hatte.
    Erst jetzt wurde dem Mädchen bewusst, dass sie zum ersten Mal seit all den Jahren jemanden kannte, der ihr etwas über ihre Mutter würde erzählen

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