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Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen

Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen

Titel: Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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zählte nur, dass sie hier war. In Hampstead Manor. In dem Salon, den sie damals so voller Furcht betreten hatte. Nicht mehr bei Tristan Marlowe. Sondern da, wo sie sein wollte. Bei Adam Stewart. Tangled up in blue.
    Die Dachkammer war noch genauso durcheinander und unaufgeräumt, wie sie es immer gewesen war. Bücher und Zettel bedeckten den Boden, und Emily, die im Pyjama und mit angewinkelten Beinen auf der Matratze saß, schaute aus dem Fenster zu den funkelnden Sternen empor, die zögerlich zwischen der dichten Wolkendecke hervorlugten.
    »Steerforth hatte mich gefragt, ob ich dich wirklich liebe«, sagte Adam.
    »Und?«
    »Ich habe natürlich bejaht.«
    Dafür küsste sie ihn.
    »Er sagte, dass er niemals hatte lieben können. Nicht einmal sich selbst. Und dass man, wenn man nicht einmal sich selbst zu lieben in der Lage ist, auch niemanden sonst zu lieben vermag. Dass man den Menschen mit Hass begegnet und niemals ein fremdes Herz für sich schlagen hört.«
    »Du glaubst, dass er deswegen …«
    Adam nickte. »Ja, er wollte sterben. Er wollte etwas tun, das richtig war. Und dann wollte er sterben. Er hatte einfach die Schnauze voll gehabt von alledem. Von den Intrigen und Bösartigkeiten. Von sich selbst. Ich glaube, dass er sich selbst kaum mehr im Spiegel anschauen konnte. Dass er deswegen hineingegangen ist. Um zu finden, was er niemals gewesen war und doch vielleicht sein konnte.«
    Emily seufzte.
    »Das ist traurig.«
    »Ich weiß.«
    Er nahm sie in die Arme und hielt sie fest. »Er wollte gar nicht, dass ich ihm sage, wo Dr. Dariusz das Bildnis versteckt hat. Vielleicht hat er es sogar die ganze Zeit über gewusst.«
    Emily ließ sich von Adam Stewart umarmen und spürte seinen Herzschlag, der wie ein Lied war, das nur für sie geschrieben worden war. Jetzt, in der Stille der Nacht, versuchte sie die Gedanken zu fangen, die zwischen den Schatten an der Decke herumsprangen wie aufgeschreckte Mäuse. Sie dachte an das, was er ihr alles erzählt hatte. Was er getan hatte. Für sie. Sie schmiegte sich an ihn und sagte dann gar nichts mehr. Lauschte nur seinem Atem und den Geräuschen der Stadt, die leise und gedämpft von draußen an ihr Ohr drangen. Die Zeit schien stillzustehen, und es gab nur diesen einen Augenblick. Alles drehte sich um das kleine Zimmer, wirbelte draußen vor dem Fenster mit den Schneeflocken vorbei, ohne ihr etwas anhaben zu können.
    »Du hast kalte Füße«, bemerkte Adam nach einer Weile.
    Emily musste lächeln und zog eine Decke über die Füße.
    »Ich habe immer kalte Füße«, sagte sie.
    Adam stand auf und wankte in dem Dämmerlicht zu dem Kleiderhaufen, der irgendwo unter dem Heizkörper lag. Er kramte darin herum und kehrte mit einem Paar dunkler Wollsocken zurück, die neben seinen Schuhen gelegen hatten. Dann kniete er sich vor Emily auf die Matratze, zog ihre Füße unter der Decke hervor, einen nach dem anderen, und zog ihr die Socken an.
    Emily sah ihm dabei zu, und als er unter die Decke schlüpfte, da schmiegte sie sich ganz eng an ihn.
    »Man ist doch erst dann daheim«, flüsterte sie ihm ins Ohr, »wenn man jemanden hat, der einem seine Socken leiht, wenn man kalte Füße hat.« Adam, der wusste, was sie meinte, gab ihr einen Kuss und nahm sie in die Arme, drückte sie an sich, ganz fest, ganz fest. Und Emily, die wusste, dass sie nach langer Zeit an einem Ort angekommen war, der Zuhause war, schloss die Augen und fragte sich, ob Adam die einsame Träne, die ihr über die Wange lief, überhaupt bemerkt hatte.

Kapitel 2
Der grausamen Gezeiten Gang
    Unglücke treten, das entspricht ihrer Natur, meist heimlich auf. Sie lieben es förmlich, sich zu verstecken, sodass man, erfährt man erst einmal von ihrer Existenz, nichts mehr unternehmen kann, um sie zu verhindern.
    Emily Laing, die am Morgen mit einem Lächeln erwachte und ihr Gesicht vom Kopfkissen gleich neben Adam erhob, begann zu ahnen, dass etwas nicht stimmte, als Peggotty ganz früh nach oben unters Dach kam und energisch an die Tür klopfte.
    Wir mussten umgehend aufbrechen. Ließen sogar das Frühstück ausfallen, wenngleich Peggotty uns Tee und Kaffee auf den Tisch gestellt hatte. Hunger hatte niemand. Nicht bei diesen Neuigkeiten.
    »Manderley Manor ist von den Nebeln angegriffen worden«, teilte ich Emily und Adam mit, während ich rasch in meinen Mantel schlüpfte. »Es sieht nicht gut aus.«
    »Wann haben Sie davon erfahren?«, wollte Emily wissen, die müde und ganz durcheinander aussah. Die Haare

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