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Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen

Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen

Titel: Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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standen ihr wirr vom Kopf ab, und ehe sie nach draußen in die Kälte trat, wickelte sie sich schnell einen langen Schal um den Hals und zog sich eine Mütze bis über die Ohren.
    Adam Stewart begleitete uns natürlich.
    »Fünf Minuten bevor Peggotty Sie beide geweckt hat.«
    Eine halb erfrorene Trafalgar-Taube war mit einer dringenden Nachricht von Lord Nelson am frühen Morgen in Marylebone eingetroffen.
    »Was genau ist passiert?«
    »Fragen Sie nicht mich.« Ich schlang mir einen Schal um den Hals. »Wir werden uns unverzüglich zum Regent’s Park begeben. Das ist wohl alles, was wir tun können.«
    Überstürzt verließen wir das Haus und waren nun auf dem Weg durch den Park, der still und lauernd in der Morgendämmerung erwachte. Emily rannte hinter mir her und war ganz bleich, da sie sich weitere Gedanken um die Folgen dieser neuen Entwicklung machte. Sie wusste, dass unsere Pläne wie Sand in einer Uhr zerflossen, immer und immer mehr. Hatten wir doch Mylady Manderley noch am heutigen Tag über die Machenschaften McDiarmids und der Black Friars aufklären wollen. Tristan Marlowe hatte zugesagt, eine Nachricht nach Blackheath zu schicken, als ein neutraler Botschafter sozusagen. Immerhin wussten wir jetzt, dass Lord Gabriel und seine Mala’ak ha-Mawet das Übel waren, das dem Nyx zuspielte und für all die Intrigen und das Leid in der Stadt der Schornsteine verantwortlich war. Die beiden großen Häuser mussten darüber informiert werden. Dies alles in der stillen Hoffnung, dass die beiden Häuser zur Besinnung kommen würden, wären sie erst einmal im Besitz des neuen Wissens.
    Wie dem auch gewesen sein mochte – das Eintreffen der Trafalgar-Taube hatte alles geändert.
    Nun sah es so aus, als habe Mushroom Manor zum entscheidenden Schlag gegen seinen alten Widersacher ausgeholt. Als habe Lord Mushroom die Nebel zum Regent’s Park befohlen, um … Ja, um was zu tun? Das war es, was Emily Sorgen bereitete. Was uns allen Sorgen bereitete. Was genau hatten die Nebel in Manderley Manor angerichtet?
    »Spüren Sie etwas?«
    Emily schüttelte den Kopf. »Nichts.«
    Sie hatte sich konzentriert und ihre Gedanken wandern lassen, doch war da keine Antwort gewesen. Kein fremdes Bewusstsein hatte sich ihr geöffnet, weder das ihrer kleinen Schwester noch das ihrer Großmutter. Mylady Eleonore Manderley … wie sie diesen Namen hasste. Wie sie diese Frau verabscheute. Es war ihr, als sei die alte Frau für all das Unglück verantwortlich, das seit Jahren schon London und die uralte Metropole in seinen Fängen hielt.
    Mit einem Mal schien Emily der Morgen noch kälter zu sein. Nur gut, dass Adam Stewart an ihrer Seite war.
    Trotzdem fragte sie sich, was die anderen wohl gerade taten. Neil und Aurora, Lucifer und Lilith.
    Tristan Marlowe.
    Hatten auch sie bereits die Neuigkeiten vernommen?
    Sie konnte es nicht sagen.
    Versuchte sich auf den Augenblick zu konzentrieren, wie sie es gelernt hatte.
    Dennoch schlichen sich andere Gedanken ein. Gedanken an die letzte Nacht und die Eisblumen, die heute Morgen die Fenster ihres Zimmers bedeckt hatten, so wunderschön und filigran, dass man gar kein Unheil in der Welt vermuten mochte.
    »Du bist ja noch da«, hatte sie Adam ins Ohr geflüstert, als sie erwacht war.
    Sie hatte sanft sein Gesicht berührt, als müsse sie sich erneut davon überzeugen, dass es kein Traum war.
    Ganz müde noch hatte er die Augen geöffnet und sie auf die Nasenspitze geküsst.
    Erst in diesem Augenblick war Emily aufgefallen, dass sie ja des Nachts ihr Mondsteinauge herausnahm und die weiße glatte Kugel in der Schachtel neben der Matratze lag.
    Adam hatte sie lange angesehen, und Emily war bewusst geworden, dass er sie ansah. Ihr Gesicht, ihr Lachen. Er sah sie, Emily Laing aus Rotherhithe, wie er sie schon damals in Brick Lane Market gesehen hatte – und nicht die leere Augenhöhle, die so hässlich anzuschauen sein mochte ohne das Auge darin.
    »Lauf mir bloß nicht davon, hörst du!?« Er hatte sie umarmt und festgehalten, und sie hatte seinen Atem gespürt und sein Haar gerochen.
    Dann hatte Peggotty geklopft.
    Und allein das Klopfgeräusch hatte bereits Unheil angekündigt.
    Unheil, das feige war und sich versteckt gehalten hatte in der Nacht.
    Jetzt lief Emily durch den Regent’s Park und fragte sich, was sie in dem alten Herrenhaus erwarten würde. Sie hatte Angst vor dem, was möglicherweise das Schicksal Londons und der uralten Metropole lenken würde, wie die Gezeiten das Treibholz zu

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