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Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen

Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen

Titel: Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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dass er erschöpft und erwachsen zugleich aussah. »Ich ließ das Bildnis dort, wo es war, und schloss den Spiegel davor.«
    »Wen zeigte das Bildnis?«
    »Den Mann, den wir damals in Paris getroffen hatten.«
    »Lazarus?«
    »Als ich mir im Klaren darüber war, dass Dr. Dariusz das Bild dieser Kreatur in seinem Zimmer versteckte, da wurde die Tür mit einem Ruck aufgerissen, und ich sah mich dem Wesen aus dem Bildnis gegenüber.«
    »Auf frischer Tat ertappt, sozusagen.«
    »Du sagst es.«
    »Und?«
    »Er wollte die Pfleger rufen, doch ich schlug ihm ein Geschäft vor.«
    »Sie besitzen Spielerqualitäten?«, fragte ich nach.
    Adam schüttelte energisch den Kopf. »Wohl kaum. Es war schon eher die Verzweiflung, die mich das tun ließ, was ich schließlich getan habe.« Er ging zum Kamin, legte nachdenklich einige Holzscheite nach und betrachtete die Flammen, die an dem Holz züngelten. »Ich erkannte ihn und wusste, dass er ein Nocnitsa war. Ein Wesen, dem man nicht unbedingt freundschaftlich gegenübertreten sollte.«
    »Wir haben ihn in Prag getroffen«, sagte Emily.
    »Er war dort, weil ich es von ihm verlangt habe.«
    »Du hast ihn erpresst?« Emily hatte es erfasst. Sie brauchte Adam nur anzusehen und wusste, dass sie Recht hatte. »Du hast ihn erpresst!«
    »Ich teilte ihm unverzüglich mit, dass ich den Aufbewahrungsort des Bildnisses kannte. Und dass ich ihm diesen Ort nennen würde, sobald er mir geholfen hätte, in die Spiegel hineinzugelangen.«
    »Was hat er getan?«
    »Er hat mich ausgelacht. Und dann hat er mich niedergeschlagen. Meine Güte, er war so verdammt schnell. Etwas hat mich am Kopf getroffen, und als ich wieder zur mir kam, da stand er über mir und betrachtete mich mit den kalten Augen des Siegers.«
    »Aber Steerforth ist trotzdem nach Prag gekommen.«
    Adam nickte. »Es sei seine Stadt, hat er mir erklärt. Der Ort, an dem er aufgewachsen sei. Der Platz, an dem er sterben wolle.« Die Flammen spiegelten sich in Adams dunklen Augen. »Das Leben sei nicht das geworden, was er sich erhofft habe. Dr. Dariusz sei momentan sein Meister, und wenn der Doktor das Bildnis fortgäbe, dann träte ein anderer an seine Stelle. Nein, ein solches Leben wolle er nicht länger führen. Stattdessen wolle er wieder gutmachen, was er angerichtet habe, damals vor sechs Jahren.«
    »Das hat er mir auch gesagt.«
    »Er hat seine Entscheidung getroffen«, murmelte ich.
    »Ja, das hat er wohl.« Adam nahm wieder in dem großen Sessel Platz. »Er ist durch die Spiegel nach Prag gegangen, um euch zu suchen und wieder in die Stadt der Schornsteine zu bringen. Er wollte nicht, dass ich mitkomme. Ich wäre nur ein Hindernis für ihn. Ohne mich könne er sich viel freier in der Stadt bewegen. Als ich hartnäckig darauf bestand, ihn zu begleiten, da schlug er mir einen Briefbeschwerer gegen den Kopf.«
    Besorgt lauschte Emily seinen Worten.
    »Als ich wieder zu mir kam, da standen mehrere Pfleger und Dr. Dariusz um mich herum.« Er lachte kurz auf. »Es war Dr. Dariusz keineswegs entgangen, dass jemand die Spiegel benutzt hatte. Dorian Steerforth aber war fort, und niemand konnte ihn mehr aufhalten.«
    »Was hat der Doktor zu alledem gesagt?«
    »Dr. Dariusz schickte mich fort. Al-Vathek sei auch stur wie ein Schakal gewesen. Das war es, was er mir mit auf den Weg gab. Dann begleiteten mich die Pfleger nach draußen, und ich kehrte nach Marylebone zurück.« Er schaute in die Runde. »Und hier bin ich noch immer.« Er schenkte Emily ein Lächeln. »Und geh’ nicht wieder weg.«
    Emily stand auf und ging zum Fenster, von wo aus sie einen guten Blick auf den Regent’s Park hatte. Die kahlen Baumgerippe warfen lange Schatten auf die feste Schneedecke. Irgendwo dort hinten, verborgen in der Dunkelheit, war Manderley Manor. Und ganz in der Nähe, auf dem Regent’s Canal, hauste Tristan Marlowe in seinem Hausboot.
    Emily wollte nicht an den jungen Alchemisten denken, und doch tat sie es.
    Dabei war sie doch überglücklich, dass Adam Stewart wieder an ihrer Seite weilte. Er war nach London gekommen, nur um ihr zu helfen. Sie spürte seine Blicke in ihrem Rücken, und es tat gut, sie dort zu spüren.
    Die Eisblumen auf dem Fenster schmolzen dahin, als sie ihre Umrisse mit dem Finger berührte.
    Die Welt, dachte sie, ist verrückt.
    Ein voller Mond schien über London. Wolken schoben sich vor ihn, und dunkle Scharen von Fledermäusen flogen durch die Nacht. Etwas ging dort draußen vor, sie spürte es ganz genau. Doch dann

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