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Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen

Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen

Titel: Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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von Lady Mina gehört. Befürchtungen hatte ich viele gehegt, doch vielleicht war meine Stiefschwester noch einmal mit dem Leben davongekommen. Vielleicht hatte sie sich in den Mauern von Manderley Manor verborgen gehalten. Dort, wo sie niemand vermutet hätte. »Was ist mit Mara passiert?«
    »Sie ist verschwunden.«
    »Einfach so?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Die Nebel kamen in den Keller herunter. Fast war es so, als würden sie uns wittern.« Sie seufzte. »Aber die Keller sind ein Labyrinth aus Räumen und verschlungenen Gängen. Es gibt dort unten sogar versteckte Falltüren, die in die Kanalisation und die uralte Metropole hinabführen. Das wäre unser letzter Fluchtweg gewesen.«
    »Aber?«
    Miss Anderson wirkte bedrückt. Sie gab sich selbst die Schuld daran, dass sie das Mädchen verloren hatte. »Als ich in der Finsternis nach ihr greifen wollte, da war sie nicht mehr da. Die Nebel hatten mich angegriffen, doch dann war da ein anderer Nebel aufgetaucht.« Sie sah uns an, als wolle sie sich davon überzeugen, dass wir ihr noch zuhörten. »Der andere Nebel hat zu mir gesprochen und dafür gesorgt, dass ich weiterleben konnte.« Sie senkte den Blick. »Ich weiß, wie verrückt sich dies anhört. Aber bitte glauben Sie mir, genau so hat es sich zugetragen.«
    Londons Efeu war also nach Manderley Manor gekommen und hatte sich dem Gegner gestellt.
    »Und die Ratte?«
    »Die war verschwunden.«
    »Könnte es sein …?«
    Miss Anderson führte die Frage zu Ende. »Dass das Mädchen mit der Ratte gegangen ist?« Sie nickte. »Alles ist möglich. Als Mara klein war, da hat sie immer Rattengeschichten hören wollen. Sie hat von den Ratten geträumt, weil Sie, Miss Laing, ihr diese Traumbilder geschickt hatten. Mara kannte Mylady Hampstead, Lord Brewster und Lady Mina. Doch warum hätte sie einer Ratte folgen sollen? Mylady Manderley hatte sie eingehend vor den Nagern gewarnt!«
    »Wenn wir Glück haben«, gab ich zu bedenken, »dann war die Ratte eine Rättin und meine Schwester obendrein.« Und Mara Manderley hätte sie gekannt. Es gab keinen Grund, weswegen sich Mara vor Lady Mina hätte fürchten sollen. Sie hatte die Empfindungen Emilys gegenüber der jungen Rättin gefühlt wie ihre eigenen.
    Ein Hoffnungsschimmer lag in Miss Andersons kohlschwarzen Augen. »Sie meinen, Mara ist in Sicherheit?«
    »Fragen Sie nicht mich. Aber mit ein wenig Glück wird Mara von jemandem begleitet, der sich um ihr Wohl sorgt.«
    Miss Anderson atmete auf. Zum ersten Mal, seit wir ihr begegnet waren, wirkte sie erleichtert. Emily erinnerte sich an Wales. An das Landgut Charles Dodgsons. Miss Anderson war auch dort gewesen, doch hatte sie Emily gegenüber nie viele Worte verloren. Sie war höflich gewesen, aber immer unnahbar und überaus kühl.
    Doch jetzt kam sie Emily wie ein Mensch vor. Wie eine einsame Frau, deren Geschichte sie nicht kannte und über die sie deshalb auch nicht vorschnell urteilen durfte.
    »Mylady Manderley befindet sich im Salon«, teilte sie uns mit.
    Sie führte uns durch lange Korridore, die Emily so bekannt vorkamen, als sei sie erst gestern zum letzten Mal hier gewesen. Erschrocken betrachtete sie das ganze Ausmaß der Zerstörung. Überall lagen Tote. Verrenkte und geschundene Körper, in deren Augen die Reste zerfetzter Nebel waberten. In den Händen der Toten befanden sich noch die Gegenstände, mit denen sie einander die tödlichen Wunden zugefügt hatten.
    Wer über die Nebel gebot, der brauchte keine Truppen mehr. Die Nebel drangen ins feindliche Lager ein und infizierten die Menschen. Das, was dann geschah, war ein Albtraum.
    »Ich habe mich im Keller versteckt, bis es still geworden war im Haus«, gestand uns die Gouvernante. »Ich bin nicht stolz darauf, doch was hätte ich schon tun können?!«
    Als sie nach oben gegangen war, da war der Kampf vorbei gewesen. Die feindlichen Nebel hatten Manderley Manor bereits verlassen, und die wenigen, die geblieben waren, schwammen wie verlorene Seelen in den Augen der Sterbenden. Nach oben in den Salon war Miss Anderson geeilt, wo sie Mylady Manderley vermutet, wo sie die alte Frau auch tatsächlich gefunden hatte.
    »Dort hinein«, forderte sie uns auf.
    Öffnete die Tür.
    Und wir traten ein.
    In eben jenen Salon.
    »Master Wittgenstein, Miss Laing und Master Stewart«, stellte sie uns vor.
    Und Emily erschauderte.
    Der Raum, in den Miss Anderson uns geführt hatte, sah noch genauso aus wie damals, als sie allein hier gewesen war, um etwas über ihre

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