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Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen

Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen

Titel: Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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Jetzt hielt er dieses kleine Büchlein in den Händen, das seine ganze Welt erneut ins Wanken gebracht hatte. Das auch die Welt Lord Mushrooms ins Wanken bringen würde. Das Büchlein, das sogar die Stadt der Schornsteine und die uralte Metropole ins Wanken bringen würde, oh ja!
    Die Regentin und der Senat taten, wie immer, nicht viel, um der Situation Herr zu werden. Die wenigen Truppen, die in der City an der Seite der Metropolitan für Ordnung zu sorgen versuchten, konnten zumeist wenig ausrichten, wenn die Nebel auf der Bildfläche erschienen.
    Die Nebel, das hatte Tristan gehört, wurden von den Menschen eingeatmet und machten sie augenblicklich zu Marionetten. Wild töteten sie einander, ohne Skrupel und Verstand. Sie hieben mit allem, was sie finden konnten, aufeinander ein. Und wenn sie Glück hatten, dann tauchte die Dürre auf und machte ihrem armseligen Dasein ein Ende, bevor es ein anderer Bürger Londons auf schmerzhaftere Weise tat. Denn die Dürre kam über die Nebelmenschen und trocknete sie binnen Sekundenbruchteilen aus. Alle Feuchtigkeit wich aus den Körpern, die Nebel im Inneren der Menschen verdampften, und zurück blieben ausgetrocknete Mumienleichen, die bei bloßer Berührung zu Staub zerfielen.
    Es gab keine Ordnung mehr in London.
    Die beiden großen Häuser waren auf Kollisionskurs, und am Ende sollte nur eines von ihnen überleben und die Vorherrschaft übernehmen. Trotzdem gingen viele Menschen ihrem Tagewerk nach, ignorierten die Kampfhandlungen in den anderen Stadtteilen.
    King’s Moan, so hörte man, war von der Lady Pasteurella Pestis heimgesucht worden. Mit schwärenden Wunden starben die Menschen, die das Pech gehabt hatten, sich in diesen Tunneln aufzuhalten, als die Nebel dort aufgetaucht waren. Die Garde hatte in der verzweifelten Hoffnung, der Ausbreitung der Krankheit vorbeugen zu können, alle Zugänge nach King’s Moan gesprengt. Rattlinge waren sogar in den Zisternen von Heathrow gesichtet worden.
    Tristan Marlowe wusste nicht, wohin dies alles noch führen sollte. Es taten sich Abgründe auf, tief unten in der uralten Metropole. Das hatte Holcroft ihm mitgeteilt. Denn der Nyx wollte, was ihm vor Jahren bereits verwehrt worden war. Er wollte einen Körper, nicht bloße Kontakte zu den Trickstern, die sich im Black-Friar-Orden zusammengeschlossen hatten. Er wollte einen Körper, weil ihm bewusst war, dass die Abhängigkeit von den Mala’ak ha-Mawet irgendwann einmal ein Ende haben musste.
    Deswegen hatte er einen Pakt mit Lord Mushroom geschlossen, von dem der Engel Gabriel nichts wusste. Das jedenfalls hatte Holcroft ihm mitgeteilt. Und um seinen Plan in die Tat umzusetzen, war er auf die Mithilfe Tristan Marlowes angewiesen.
    Und, ja, er würde belohnt werden für seine Kooperation.
    Denn die Ereignisse spitzten sich zu.
    Tristan Marlowe wusste, dass Neil Trent und Aurora Fitzrovia sich in der Gewalt der Mala’ak ha-Mawet befinden mussten. Denn auch Gabriel wollte Mara in seine Gewalt bringen. Vielleicht ahnte er etwas von den Plänen des Nyx und wollte ihm zuvorkommen.
    Der junge Alchemist seufzte.
    Die Welt, dachte er, ist eine Lügnerin.
    Und jeder ist nur auf seinen eigenen Vorteil bedacht.
    Die schlichte Wahrheit, die diese Erkenntnis mit sich brachte, lag auf der Hand. Wenn man in einer solchen Welt lebte, dann musste man nach ihren Regeln spielen.
    Einen anderen Weg gab es nicht.
    Deswegen verließ Tristan Marlowe in Island Gardens die Docklands Light Railway und durchquerte den Greenwich Tunnel, der ihn unter der Themse hindurchführte. Drüben am Themseufer erhob sich der Millennium Dome und weiter hinten das Riesenrad. Die Stadt der Schornsteine, dachte er, verändert sich. Selbst der Fluss war von einer dicken Eisschicht bedeckt wie schon seit Jahren nicht mehr.
    Dann ging er schnellen Schrittes weiter, ließ das Royal Naval College und das Observatorium hinter sich. Mushroom Manor erschien hinter den Bäumen, die auch hier nur kahle Gerippe waren. Dichter Schneefall setzte ein. Er spürte das Büchlein in seiner Manteltasche und fragte sich erneut, ob er wohl das Richtige tat.
    Wind kam auf, eisklirrend scharf, und blies die unliebsamen Gedanken ganz schnell fort. Es gibt keine Zufälle, dachte Tristan Marlowe und ging weiter, um zu tun, weswegen er hergekommen war.
    Die pneumatische Tube führte mitten durch die Fundamente des National Maritime Museums. Der Raum, der einmal für den Bahnsteig konstruiert worden war, diente nun als Abstellkammer. Allerlei

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