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Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen

Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen

Titel: Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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begrüßte Lord Nelson das Mädchen, »denn das Leben ist zu ernst, um es ohne ein Lächeln ertragen zu können.« Die traurigen Augen funkelten fröhlich. »Und Sie haben, will ich meinen, einen Grund zu lächeln.« Er trat zur Seite.
    Die Kajütentür hinter ihm war offen.
    Und dort stand ein kleines Mädchen, das genauso aussah, wie Emily damals ausgesehen hatte, als man sie mir in der Tottenham Court Road anvertraut hatte.
    Eine Rättin saß auf der Schulter des Mädchens, dessen rote Haare im Wind wehten.
    »Em’ly«, sagte Mara.
    Dann brach sie in Tränen aus.
    Lachte verlegen und unbeholfen und weinte.
    Nur zögerlich kam sie auf ihre Schwester zu. Sah sie fragend an.
    »Mara?« Emilys Stimme klang heiser.
    »Ja, Mara«, schluchzte die Kleine. »Mara und nicht mehr Myriel.«
    Sie stand da.
    Hilflos, irgendwie.
    Und Emily?
    Wie oft hatte sie sich in den letzten Tagen gefragt, wie ein Wiedersehen wohl aussehen würde. Und jetzt, da es so weit war, da waren all die vorbereiteten und sorgsam gewählten Worte vergessen.
    Emily nahm ihre kleine Schwester in die Arme und schloss die Augen, wie auch Mara es tat. »Wo hast du nur so lange gesteckt?«, flüsterte Emily und spürte, wie ihr die Tränen übers Gesicht liefen. »So lange, so lange.«
    Mara drückte sich nur umso fester an sie. Das war alles, was sie antwortete. Klar und deutlich wie der Herzschlag eines Kindes, das die Welt mit neuen Augen zu sehen beginnt.
    Mushroom Manor war ein Haus, das niemals lächelte. Mit den Erkern und hohen Türmen sah es beinah aus wie ein dunkles Abbild Manderley Manors. Ein permanenter Nieselregen durchtränkte die Luft. Denn Mushroom Manor befand sich in einer riesigen Höhle, tief unten in der uralten Metropole. Eisblumen und andere Gewächse bedeckten den Boden und die Wände der Höhle. Erbaut aus Quadern schwarzen Gesteins, das man vor Ewigkeiten dem dunklen Fluss entrissen hatte, bildete das Anwesen das Zentrum von Blackheath Beneath. Moos bedeckte die Dächer. Nass glänzend nahe den Feuern, die überall in der Höhe entzündet worden waren und die gesamte Gegend in ein unruhig flackerndes Licht tauchten, das mehr Schatten gebar, als es an Geheimnissen offenbarte.
    Jetzt, da er in die uralte Metropole nach Blackheath Beneath hinabgestiegen war, da fragte sich Tristan Marlowe aufs Neue, ob er das Richtige tat oder gar in sein eigenes Verderben lief.
    Die Tyler-Söldner oben am Lewisham Hill jedenfalls hatten ihn eintreten lassen.
    Und nun war er hier.
    Betrat das Herrenhaus, das schon vor Jahrzehnten in die Tiefen der uralten Metropole hinabgesunken war. Begutachtete die elegante Einrichtung, die bereits vor hundert Jahren alt gewesen sein mochte. Wartete auf Lord Mushroom, den persönlich zu sprechen er verlangt hatte.
    »Sie bringen mir Neuigkeiten?« Der hagere Mann trug sein schlohweißes Haar jetzt kurz geschnitten. Ein Bärtchen umrankte seinen Mund mit dem leicht spöttischen Ausdruck. Verschlagene Augen musterten Marlowe durch eine Brille aus rotem Glas.
    Tristan Marlowe verneigte sich in angemessener Form. »Ich grüße Sie, Lord Mushroom.«
    Der Angesprochene lächelte dünn. »Haben Sie über Holcrofts Angebot nachgedacht?«
    »Nein«, sagte Tristan Marlowe mit fester Stimme.
    Ipy die Sphinx war wachsam.
    »Nein?«
    Der junge Alchemist hielt dem Herrn von Blackheath das Büchlein hin. »Ich bringe Euch stattdessen dies hier.«
    Lord Mushroom kam näher und zögerte, das Notizbuch anzunehmen. Er zog die Brille aus, und die hellen Augen starrten den zerfransten Einband an. »Woher haben Sie das?«
    Tristan Marlowe sagte es ihm.
    Martin Mushroom nahm es in die Hand und schlug es auf. Behutsam. Fast schon ehrfürchtig. Ein loses Blatt fiel heraus. Er fing es auf und starrte es an, als habe er einen Geist erblickt. »Das bin ich«, flüsterte er, und die eiskalte Maske, die sein Gesicht gewesen war, begann zu bröckeln. »Das …« Er blätterte in dem Buch. Schaute auf. »Warum geben Sie mir dieses Buch?«
    »Damit Sie es lesen«, antwortete Tristan Marlowe, »damit Sie es lesen.«
    Das war alles, was es dazu zu sagen gab.
    Alles. Und so viel.
    Er ist ein Verräter, sagte Lady Mina.
    »Nein, das glaube ich nicht.« Jetzt, da es die junge Rättin ausgesprochen hatte, schien es nur umso absurder. Tristan war zuweilen unfreundlich und überheblich. Nun ja, das war er eigentlich die meiste Zeit über. Aber ein Verräter? »Er hat mir in Prag das Leben gerettet.«
    »Er ist undurchsichtig«, gab Adam zu

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