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Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen

Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen

Titel: Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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»Kommen Sie«, schlug ich vor, »lassen Sie uns nach Hause gehen.«
    Für heute war genug geschehen.
    Dachte ich.
    Emily Laing, die ihre Trickster-Gabe immer besser zu kontrollieren in der Lage war, wurde mit einem Mal ganz bleich und flüsterte einen Namen, den ich sie lange nicht mehr hatte sagen hören: »Aurora!« Ihre Stimme bebte, und ihr Blick schweifte in die Ferne. »Sie befindet sich in Marylebone.«
    »Ich weiß.«
    Das Mädchen sah mich an. »Woher?«
    »Ich habe sie dorthin bestellt.«
    Emilys Körper verkrampfte sich mit einem Mal. »Es sind Nebel in unserem Haus.«
    Das, dachte ich, ist wahrlich keine gute Nachricht. »Sind Sie sicher?«
    Sie nickte nur.
    Stammelte: »Nebel.«
    Taumelte.
    Ich fing sie auf.
    Emily Laing schnappte nach Luft. »Wir müssen ihnen helfen, Wittgenstein.«
    So also galt es wieder einmal, keine Zeit zu verlieren.
    »Kommen Sie!«
    Wir rannten los, und die Eiseskälte brannte in unseren Kehlen.
    Es war nicht mehr weit.
    Nach nur wenigen Augenblicken tauchte Hampstead Manor vor uns aus dem Schneegestöber auf. Die ruhigen Lichter in den Fenstern warfen träge Schatten auf die Fassade, an der in Eis und Schnee gehüllter Efeu hinaufrankte. Hoch oben erkannte Emily das runde Fenster, hinter dem sich ihr Zimmer befand. Dichter Rauch quoll aus dem Schornstein und wurde vom Wind über die Dächer Londons geweht.
    Etwas war nicht richtig.
    Das Mädchen hatte es gespürt.
    Wir erreichten die Pforte, und ich kramte einen Schlüsselbund aus der Manteltasche. Während ich nach dem richtigen Schlüssel suchte, zog Emily an der Schnur, welche zur silbernen Glocke oben in der Küche führte. Wie aus der Ferne hörte sie das Bimmeln, doch kam niemand herbeigeeilt, um uns zu öffnen.
    »Beeilen Sie sich doch«, drängelte das Mädchen.
    Ich stieß die Tür auf.
    Fast augenblicklich drang ein Geruch in unsere Nasen, der an kalten Regen und den dunklen Fluss erinnerte.
    »Sie hatten Recht«, murmelte ich nur und lauschte in das Haus hinein.
    Stille.
    Die eigentlich gar keine war.
    Denn von weit oben drangen hektische Geräusche durch das Treppenhaus nach unten. Schritte, ganz hastig. Wer immer dort oben herumlief, rannte sehr schnell, weil er vor etwas auf der Flucht war.
    »Wir müssen nach oben«, dachte ich laut und rannte los.
    Emily folgte mir.
    »Wenn es wirklich der Nebel ist«, rief sie mir hinterher, »was werden Sie dann tun?«
    Gute Frage.
    Ich öffnete den Mund.
    Schloss ihn wieder.
    Überlegte.
    »Wir müssen in den Salon.«
    Emily wirkte skeptisch.
    Also wurde ich konkreter: »Das, was wir benötigen, befindet sich im Salon.«
    Von oben hörten wir Gepolter und immer schneller werdende Schritte.
    Etwas Weißes drückte sich in der Düsternis herum.
    Lauernd.
    Wie ein Räuber.
    »Spüren Sie den Nebel?«
    »Er ist tatsächlich lebendig«, antwortete das Mädchen.
    Dann ging alles sehr schnell.
    Wir erreichten den großen Salon, und in einer der vielen Schubladen in der Kommode neben dem Kamin kramte ich nach einem Beutel, der ein Pulver aus gemahlenem Alexandrit und Lepidolith enthielt.
    »Was haben Sie vor?«
    »Fragen Sie nicht.«
    Emily zog ein Gesicht.
    Folgte mir zurück ins Treppenhaus.
    »Erinnern Sie sich an das Steinpulver?«
    Lepidolith, das wusste sie, wirkt entgiftend und schützt zudem vor äußerer Beeinflussung. Alexandrit stärkt die Selbstheilungskraft des Körpers, wenn dieser angegriffen wird. Noch lebhaft erinnerte Emily sich an die Stunden um Stunden, die sie damit hatte verbringen müssen, die Steinheilkunde, die ein wesentlicher Bestandteil der klassischen Alchemie war, zu erlernen.
    »Glauben Sie, dass Sie den Nebel damit aufhalten können?«
    »Es ist einen Versuch wert, oder?«
    Wir stürmten die Treppenstufen hinauf.
    Irgendwo dort oben mussten Aurora und Peggotty sein.
    Emily hoffte inständig, dass den beiden nichts zugestoßen war.
    »Was ist das für ein Geruch?«, fragte sie.
    »Der Nebel«, antwortete ich und war überrascht, als mich die Erkenntnis traf, die plötzlich alles in einem anderen Licht erscheinen ließ. »Er riecht nach der See.« Folglich hatten wir es mit einem Nebel zu tun, der vom Meer her in die Stadt der Schornsteine gekommen war.
    »Sie sind oben auf dem Dachboden.« Emily hatte nach Aurora und Peggotty gesucht und ihre Gedanken gefunden. Irgendwo in dem Gerümpel hielten sie sich versteckt und versuchten ihre Furcht im Zaum zu halten. Der Nebel war ganz nah bei ihnen.
    Züngelte, wie Flammen es tun.
    Gierig, ach, so

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