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Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen

Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen

Titel: Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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nicht wohl bei dem Gedanken, diesen seltsamen Preis zu zahlen. Doch hatten sie nicht bekommen, weswegen sie hergekommen waren? Standen sie nicht in der Schuld der sieben Schwestern?
    »Entscheidet weise!« Merope leckte sich die vielen krabbelnden Bienen von den Lippen. »Denn Ihr werdet den glücklichen Gedanken, den Ihr uns gebt, niemals wieder denken können.«
    »Niemals.«
    »In Eurem ganzen Leben.«
    »Oder danach.«
    »Das ist der Preis.«
    »Den Ihr zahlen müsst.«
    »Den zu zahlen Ihr bereits zugestimmt habt.«
    »Vergesst das nicht.«
    »Wenn Ihr es nicht tut.«
    »Dann werdet Ihr sterben.«
    »So sind die Regeln.«
    Typisch Ewige!
    Tristan Marlowe machte den Anfang. »Was muss ich tun?«
    Elektra erklärte es ihm. »Es ist ganz einfach. Ihr berührt das Gefäß und denkt den glücklichen Gedanken so klar und filigran, als sei er reines Licht, das Euch durch die Finger zu schlüpfen gedenkt.«
    »Das ist alles?«
    Sie nickte. »Das ist alles.«
    Aurora beobachtete Tristan Marlowe dabei, wie er langsam die Hand ausstreckte und das schlanke Gefäß umfasste. Seine mit einem Mal ganz kalten Augen ließen nicht im Geringsten erkennen, dass er an einen wirklich glücklichen Gedanken dachte. Argwöhnisch beäugte er Aurora, gerade so, als hätte er Angst davor, dass sie einen flüchtigen Blick auf seinen Gedanken würde erhaschen können.
    Das Mädchen schlug die Augen nieder, ganz kurz nur.
    Dann wurde sie eines Aufflackerns in dem Gefäß gewahr, als habe sich reines Licht darin gefangen. Und in dem Lichtblitz, der sie für den Bruchteil eines Augenblicks zu blenden vermochte, glaubte sie Emilys Gesicht erkannt zu haben, zwischen Bücherstapeln und der alten Registrierkasse. Zum ersten Mal fragte sie sich, ob Tristan Marlowe ihrer Freundin zuvor bereits begegnet war.
    »Jetzt Ihr!«, forderte Taygete sie auf.
    Noch immer mit den Gedanken bei dem, was sie gerade gesehen hatte, fasste auch Aurora nach dem Gefäß und spürte, wie Little Neil Trent in das Gefäß hineinfloss, mit diesem leuchtenden Lächeln und den wunderschönsten Augen, die ein Junge nur haben konnte. Im Hintergrund stand die »Cutty Sark«, und die Themse war grau und kalt, doch der Tag, an dem sie dort gewesen waren, hatte sie nach dem Himmel greifen lassen, für einige kurze Momente. Sie sah, wie das Licht in dem Gefäß aufleuchtete und sie blendete.
    Dann war es vorbei.
    Einfach so.
    »Wir danken Euch«, sagte Asterope.
    Die sieben Schwestern lächelten gleichzeitig, und darin spiegelten sich die Ewigkeiten, die Sterne nun einmal einzufangen vermögen, wenn sie nicht gerade Tauben sind.
    »Vielleicht«, sagte Merope zum Abschied, »sehen wir Euch einmal wieder.«
    »Oben in London.«
    »Am Trafalgar Square.«
    »Oder woanders.«
    Elektra zwinkerte ihnen zu. »Und wenn Ihr Tauben seht, dann denkt an uns.«
    »Und daran.«
    »Dass Sterne manchmal Dinge tun, die man nicht von ihnen erwartet.«
    »Und nichts im Leben so ist, wie es scheint.«
    Tristan Marlowe erhob sich, und Aurora folgte seinem Beispiel.
    Dann verbeugten sich beide vor den sieben Schwestern.
    »Sucht die Engel am Oxford Circus auf«, riet ihnen Kelanio erneut.
    »Wir danken Euch für alles«, sagte Tristan Marlowe und warf einen letzten Blick auf das Gefäß, das einen glücklichen Gedanken enthielt, den er nie wieder würde denken können. Er sah so aus, als bereue er das, was er getan hatte. Ein wenig nur, doch immerhin.
    »Das Essen«, lobte Aurora die sieben Schwestern, »war richtig lecker.« Auch sie betrachtete das Gefäß, in dessen Lichtschein ihr eigener glücklicher Gedanke schwamm, dies jedoch ohne Reue, denn glückliche Gedanken an Little Neil Trent gab es noch zuhauf in ihrer Erinnerung. So viele an der Zahl, dass es schwer fallen würde, sie alle in eine kleine Flasche wie die, die auf dem Tisch dort stand, zu sperren.
    »Lebt wohl«, verabschiedeten sie die sieben Schwestern.
    Und als Aurora Fitzrovia und Tristan Marlowe keine fünf Minuten später vor dem billig aussehenden Plakat in der U-Bahn-Station standen, da schien es beiden schwer zu fallen zu glauben, was sie gerade erfahren hatten. Noch immer konnte man die Sirtaki tanzenden billigen Mädchen erkennen, und irgendwo in der Ferne, am Fuße des großen Berges namens Olymp, musste das versteckte Restaurant »The Pleiades’ Place« liegen, jener mysteriöse Schuppen mit der penetrantesten Leuchtreklame der Antike über der Tür.
    Tristan Marlowe blinzelte. Er hielt sich am Gehstock fest, als fehle ihm

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