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Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen

Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen

Titel: Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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beunruhigt. »Gehen wir nur einmal davon aus, dass jemand die beiden Häuser gegeneinander auszuspielen versucht, damit der Nyx genährt wird.«
    »Dann müsste derjenige sehr darauf bedacht sein, dass keines der Häuser jemals einen Vorteil erlangt.«
    »Sie sagen es.«
    »Das war es, was den Tartarus von Troja getötet hat.«
    Marlowe schaute sie überrascht an. »Daran habe ich noch gar nicht gedacht. Es ist … aber ja, das war der Fehler gewesen, den man in London zu vermeiden gedenkt.« Der Gehstock wirbelte nervös durch die Luft. Warum hatte er nicht schon früher daran gedacht? »Das alte Troja wurde vernichtet, weil die Griechen siegreich waren und den Feind bis auf den letzten Mann vernichtet haben.« Jetzt, da der Gedanke Form angenommen hatte, war er so offensichtlich, dass es dem Bibliothekar schwer fiel zu glauben, den Zusammenhang vorher übersehen zu haben. »Es war einfach niemand mehr dort, der Hass und Leid hätte empfinden können.« Troja war dem Erdboden gleichgemacht worden.
    Die Bücherregale warfen lange Schatten in den Raum.
    Unruhig ging Tristan Marlowe auf und ab.
    Auf ein dunkles Territorium führten diese Gedanken. »Die Nebel dienen dem Hause Mushroom.«
    »Und die Dürre, von der Lord Uriel gesprochen hat, dem Haus vom Regent’s Park.«
    »Ein Gleichgewicht der Kräfte also.« Eine Konstellation, aus der kein Sieger hervorgehen konnte. Allenfalls wäre ein Waffenstillstand möglich, ein allzu fauler Friede wie jener, den es in der Stadt der Schornsteine schon seit Jahrzehnten gab. Rosenkriege. Whitechapel-Aufstände. Immer wieder war Blut vergossen worden, doch am Ende war die Situation stets die gleiche geblieben. Zwei Häuser, beide von gleich edlem Blut, bekämpften sich, schlossen einen brüchigen Frieden und belauerten einander.
    »Was sollen wir tun?«
    »Abwarten«, sagte Tristan Marlowe, »und Tee trinken.« Er ließ sich auf seinem Platz nieder.
    Draußen war die Nacht hereingebrochen.
    Der Lesesaal der Bibliothek war zu dieser Stunde völlig verlassen. Es machte ihnen nichts aus, dass es still war und einsam, denn das war es, was sie beide brauchten. Ein wenig Ruhe und eine Umgebung, die ihnen vertraut war. Bücher, Tee … und Stille, in der man den eigenen Gedanken lauschen konnte. Tristan Marlowe nahm ein Buch zur Hand und vertiefte sich in die Zeilen. Aurora saß einfach nur da und grübelte über das, was sie erlebt hatte während der vergangenen Stunden.
    Dann pochte der Geist an die Tür.
    Aurora erschrak.
    Laut hallte das Geräusch in der Bibliothek wider.
    »Wer mag das sein?« Tristan Marlowe griff nach seinem Stock.
    Es klopfte erneut.
    Niemand hielt sich um diese Uhrzeit noch im Museum auf. Und die Nachtwächter unterließen es zu klopfen, wenn sie wussten, dass sich Marlowe in der Bibliothek befand. Zu sehr fürchteten sie seine Wutanfälle, wenn er in seiner Ruhe gestört wurde.
    »Wittgenstein und Emily?«
    »Die würden wohl kaum anklopfen.« Tristan Marlowe erhob sich und ging zur Tür. »Master Wittgenstein besitzt einen Schlüssel zu den Räumlichkeiten des Museums.«
    Er lauschte.
    Angestrengt.
    Dann sah er es.
    »Miss Fitzrovia!«
    Nebel waberte unter der Tür hindurch.
    »Da, schauen Sie!«
    Das Mädchen erstarrte.
    Es ging also wieder los.
    Der Nebel hatte sie gefunden.
    Sie konnte ihn riechen.
    Durch das Türschloss sickerte er, und man konnte förmlich hören, wie der Nebel den Mechanismus in Gang setzte, die kleinen Eisenteilchen bewegte.
    Es klickte.
    Klackte.
    Die Tür schwang auf.
    Und da war er, der Geist.
    Inmitten des Nebels stand er, und das, was er tat, ließ Auroras Knie weich werden.
    »Hallo«, sagte der Geist.
    Tristan Marlowe stand neben der Tür und hob den Gehstock in Gesichtshöhe, bereit zum ersten Schlag. Doch Auroras Hand legte sich schnell auf den Stock und drückte ihn nach unten.
    Sie atmete schwer.
    Zitterte am ganzen Leib.
    Tränen traten ihr in die Augen.
    »Neil?« Es war eine Frage und doch auch wieder nicht. »Du …?«
    Er trat aus dem Nebel heraus, nahm sie in die Arme.
    Hob sie hoch.
    Wirbelte mit ihr im Kreis herum.
    Dann küsste er sie, wieder und wieder.
    »Jemand, den Sie kennen, hoffe ich«, merkte Tristan Marlowe an.
    Aurora sagte gar nichts.
    Lachte nur.
    So hell und klar und laut, wie sie es seit Jahren nicht mehr getan hatte.
    Sie weinte, und dann sah sie, dass Neil das Gleiche tat.
    Ich bin Londons Efeu, stellte sich der Nebel derweil dem doch etwas verdutzt dreinschauenden Bibliothekar vor. Ihr braucht Euch

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