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Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen

Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen

Titel: Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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verkrampfte.
    Myriel sagte: »Meine Gedanken gehören nur mir.«
    Emily wurde bleich.
    Mädchen?
    Hatte ihre kleine Schwester sie gerade herablassend Mädchen genannt?
    Was, in aller Welt, war mit ihr passiert?
    Emily dachte an den Tag, an dem sie ihre Schwester in Wales besucht hatte. An den Tanz im Schnee und die Schneekugel. Was hatte Mylady Manderley nur aus diesem Kind gemacht?
    Die alte Frau kam die Treppe hinabgeschritten und blieb vor mir stehen.
    Sah mir in die Augen.
    Sie wurde Lady Minas gewahr.
    »Sie sollten sich Ihre Freunde besser aussuchen, Wittgenstein«, zischte sie.
    Lady Mina duckte sich furchtsam.
    »Sie ist meine Schwester«, sagte ich nur.
    Angewidert verzog die alte Frau die Mundwinkel. »Rattenfreunde«, murmelte sie, »könnten schwierigen Zeiten entgegensehen, wissen Sie das?«
    »Das«, antwortete ich kalt, »mag sein.«
    Fast schon war es ein Fauchen, das Mylady’s Mund entwich: »Wie ich gehört habe, sind wieder Rattenfänger in der Stadt. Lassen Sie das kleine Vieh besser zu Hause in seinem Stall.«
    Emily kochte vor Wut.
    Verzweiflung.
    War sie nicht hierher gekommen, um der alten Frau wertvolle Informationen zu bringen?
    »Sie sind beleidigend«, fuhr Emily die Hausherrin mit einem Mal an.
    »Niemand«, entgegnete Mylady spitz, »hat dich gefragt, Kind.«
    Was sollte dieses Theater?
    »In unseren Adern fließt das gleiche Blut«, schrie Emily plötzlich, »und ich lasse mir das Wort nicht verbieten. Auch nicht von dir.« Das nächste Wort betonte sie laut und deutlich. »Großmutter!«
    Die alte Frau sah aus, als habe sie jemand ins Gesicht geschlagen. Schnell gewann sie jedoch ihre Fassung zurück. »Du bist äußerst frech geworden, Kind.« Ihre Stimme war die einer Schlange. »Darin bist du deinem Vater nicht unähnlich. Auch Richard Swiveller wusste sich nur selten zu benehmen.« Ein spöttisches Lächeln. »Doch gebracht hat es ihm nichts, nicht wahr?« Sie wendete sich von Emily ab.
    Sprach zu mir, ganz leise: »Meine Myriel wird einmal die Geschäfte des Hauses fortführen, und keine Emotion wird ihr dabei im Wege stehen. Ich persönlich habe ihre Erziehung übernommen.« Sie lächelte eisig kalt. »Es wird Myriel sein, die Herzen bricht, doch niemand wird jemals ihr Herz zu brechen in der Lage sein. Niemand soll sie je verletzen können.«
    Emily glaubte nicht, was sie da hörte.
    Ballte die Fäuste.
    Doch bevor die Situation weiter entgleisen konnte, legte ich meiner Schutzbefohlenen eine Hand auf die Schulter.
    Mylady, der die Geste nicht entgangen war, nahm dies alles zufrieden zur Kenntnis. »Weswegen, Wittgenstein, seid ihr hergekommen?«
    »Mushroom Manor«, teilte ich ihr mit, »ist der Drahtzieher hinter dem, was Eurer Tochter widerfahren ist.«
    Ich teilte Mylady mit, was wir in Erfahrung gebracht hatten.
    Myriel schritt langsam die Treppe herunter und blieb neben ihrer Großmutter stehen. Sie trug ein schwarzes Kleid, das sie viel älter wirken ließ. »Also hat Lord Mushroom Mutters Tod befohlen.« Bar jeder Emotion stellte Myriel dies fest, und Emily fragte sich, ob das Mädchen, das gerade acht Jahre alt war, überhaupt noch zu weinen vermochte. Sie sprach von ihrer Mutter, als sei sie eine fremde Person. Die einstmals so offenen Augen des Mädchens, die nun undurchdringlich geworden waren, schauten Mylady an. »Dafür werden sie bezahlen müssen, nicht wahr, Großmutter?«
    Hoch erhobenen Hauptes antwortete die alte Frau mit Bitternis in der trotz allem beherrschten Stimme: »Das werden sie, mein Kind. O ja, das werden sie.« Fest presste sie die blutleeren Lippen zusammen. »Damit wird keiner ungestraft davonkommen.«
    »Es gibt eine weitere Neuigkeit, die Euch interessieren könnte.«
    Beide, alte Frau und Kind, wendeten sich mir gleichzeitig zu.
    »Es gibt einen Black Friar«, sagte ich und berichtete ihr von Holcroft.
    Die Stimme, die antwortete, kam von hinten.
    »Ein Schwindler!«
    Wir drehten uns um.
    Miss Monflathers, die grauhaarige Eminenz der Whitehall Schule für höhere Töchter und Söhne, hatte wohl die ganze Zeit über hinter einem der langen Wandbehänge gestanden und dem Gespräch gelauscht.
    Jetzt trat sie vor.
    Ich hatte sie nicht mehr gesprochen, seit ich den Lehrstuhl am Whitehall College aufgegeben hatte.
    »Miss Laing«, begrüßte sie das Mädchen und sah dann mich an, »und Mortimer Wittgenstein.« Sie lächelte, und auch dieses Lächeln war fern jeden Strahlens. »Die beiden widerspenstigsten Schüler, die mir je untergekommen sind.«

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