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Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen

Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen

Titel: Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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hohe Decke, und seltsam missgestaltete Pflanzen rankten sich am Geländer der Treppe empor.
    »Ah, Master Wittgenstein.« Es war eine Frauenstimme, so energisch und hart, dass sie die Stille zu schneiden vermochte. Einer hoch gewachsenen Frau gehörte die Stimme, Eleonore Manderley, der Herrin des Hauses. Die Gestalt stieg langsam die Treppe hinab. »Sie bringen Neuigkeiten?«
    Emily schluckte.
    Die Frau dort auf der Treppe war ihre Großmutter.
    Sie erkannte einen Teil von sich in dem Gesicht der alten Frau wieder. Und auch die Ahnengalerie ließ sie frösteln. Es war nicht zu leugnen, dass die Wurzeln des Mädchens in eben diesem Haus lagen. In den Gesichtern, die arrogant und reserviert von all den Gemälden auf sie herabschauten. Was waren die Eigenschaften, die sie von dieser Familie geerbt hatte? Sie sah Münder und Augenpartien und Wangen, und alles wirkte so, als habe jemand Bilder von ihr zu malen versucht, die am Ende dann doch nicht gelungen waren. Die Gemälde, die sie da vor sich sah, zeigten Gesichter, die beinah Emily Laing waren und dann doch wieder nicht. Und leise flüsterten sie ihr die Zweifel zu, die manchmal geschwiegen hatten, die meiste Zeit über aber ein ständiger Begleiter gewesen waren. Waisenkinder wollen wissen, wer sie sind. Es war schon immer so gewesen. Und Emily, die ihre Mutter niemals in gesundem Zustand hatte erleben dürfen, glaubte doch zutiefst daran, dass die Frau, die ihr das Leben geschenkt hatte, ein gütiger und liebenswürdiger Mensch gewesen war. Jemand, der gegen die kriechende Kälte und die schattenhafte Dunkelheit, die in diesem Haus herrschten, aufbegehrt hatte. Jemand, der Liebe empfunden hatte, der ehrlich gewesen und sich seiner Träume bewusst gewesen war.
    Sie atmete tief durch.
    Erblickte ihr eigenes Gesicht in einem Spiegel. Die Strähne, die ihr sonst über das Gesicht hing, war zur Seite gerutscht und entblößte das Mondsteinauge, das schon so lange ein Teil von ihr war. Der Stein war kalt, wenn sie ihn des Nachts herausnahm, doch wunderbar warm, wenn sie ihn im Gesicht trug.
    »Das bist du«, hatte Adam ihr damals gesagt.
    Sie geküsst.
    Noch immer konnte sie den Kuss schmecken.
    Ja, dorthin hatte sie gehört.
    Zu Adam Stewart.
    Mit seiner verrückten Musik und dem Bob-Dylan-Haarschnitt.
    Erneut betrachtete sie ihr Spiegelbild und dahinter die düsteren Porträts der toten Manderleys.
    Nein, sie wollte mit diesem Haus nichts zu tun haben.
    Emily Laing, das war ihr Name.
    »Nun, Wittgenstein, welche Neuigkeiten bringen Sie mir?« Die alte Frau klang ungeduldig.
    Das Mädchen, das hinter ihr aus dem Schatten trat, lächelte nicht.
    »Mara!«, entfuhr es Emily, die instinktiv einen Schritt vortrat.
    Ihre kleine Schwester ließ sich die Freude, sofern sie welche empfand, in keiner Weise anmerken.
    Emily blieb stehen.
    Wie angewurzelt.
    Es war ihr eigenes Gesicht, das sie da anstarrte.
    Meine Güte!
    Mara hatte Emilys Haar, Haut und Augen. Und früher hatte sie sogar Emilys Lächeln besessen. Sie sah genauso aus wie Emily noch vor acht Jahren.
    Mit kalter, fester Stimme sagte das Mädchen: »Ich bin Myriel Manderley.«
    Sonst nichts.
    »Mara«, stellte Mylady Manderley klar, »gibt es nicht mehr.« Sie schaute ihre Enkelin an. »Sie werden erfahren wollen, Miss Laing, dass Myriel Kenntnis von den Dingen besitzt, die Sie ihr haben verschweigen wollen.« Das Lächeln des Mädchens, das einmal ein so liebevolles Kind gewesen war, schien so kalt, dass es Emily schauderte. »Myriel Manderley wird nimmer die Schwächen ihr Eigen nennen, an denen ihre Mutter einst krankte.«
    Laut und deutlich stimmte das ernste Mädchen zu. »Gefühle sind Schwäche.« Und wieder lächelte sie kalt und überlegen. »Ich werde nicht schwach sein, wie meine Mutter es war.«
    Unsere Mutter, dachte Emily nur.
    War jedoch zu entsetzt, um etwas entgegnen zu können.
    Sie war unsere Mutter, schrie es in ihr, und jetzt ist sie tot, und sie hieß Mia Manderley, und ich könnte stundenlang heulen deswegen, und du stehst dort oben neben dem Monster, das unsere Großmutter ist, und redest daher, als empfindest du gar nichts bei alledem.
    »Die Gefühle«, sagte Mylady Manderley, »waren meiner armen Tochter Verderb und Tod.« Sie streichelte den Kopf ihrer Enkelin. »Myriel wird dieses Schicksal nicht teilen.«
    Emily suchte die Gedanken ihrer Schwester, wurde jedoch zurückgewiesen.
    »Ich weiß mein Talent zu nutzen, Mädchen!«
    Wir standen da, und ich spürte, wie Emily

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