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Die uralte Metropole Bd. 4 - Somnia

Die uralte Metropole Bd. 4 - Somnia

Titel: Die uralte Metropole Bd. 4 - Somnia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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sagte ich langsam, »liegt das Problem. Ich habe keine Ahnung, wie ich in die Hölle komme.«
    Du könntest lügen , schlug Buster vor. Ja, sei eine Lügnerin .
    »Darin bin ich nicht gut.«
    Du kannst es versuchen.
    »Ich bin mir nicht sicher, dass das funktioniert.«
    »Vielleicht«, dachte Scarlet nach, »gibt es verschiedene Zugänge zur Hölle in der Stadt. Ich meine, wenn die gestohlenen
Kinder in die Hölle gebracht wurden, dann muss es mindestens einen Zugang in Gotham geben. Vielleicht gibt es sogar mehrere.« Sie schaute dorthin, wo die Spitze des Empire State Building in die Nacht ragte. »Doch wo könnten die sein?«
    »Denken Sie nach«, forderte ich Scarlet auf.
    »Welche Orte könnten einen Zugang zur Hölle verbergen?«
    Hell’s Kitchen , schlug Buster Mandrake vor . Oder Hell Gate .
    Scarlet musste wider Erwarten grinsen. »Hell Gate, das klingt ziemlich gut.« Sie kicherte in sich hinein, weil sie kaum glaubte, dass es so einfach war. »Das wäre doch endlich einmal eine richtig deutliche Spur, der wir folgen können.«
    »Ja«, sagte ich schnell, »das sehe ich genauso. Ich weiß, ich weiß, es hört sich ein wenig überdreht an, aber man weiß ja nie. Hell’s Kitchen liegt drüben im italienischen Viertel bei den römischen Ruinen und dem neuen Circus Maximus. Und Hell Gate liegt drüben nahe der Upper East Side.« Es war eine Verengung im Fluss, die so genannt wurde. Am Hell Gate war der East River voller Untiefen und Felsen, die das Manövrieren äußerst schwierig machten. Unzählige Schiffe waren dort schon gesunken. Noch viel eher als in Hell’s Kitchen, dessen Name sich nur auf die Lebensbedingungen der italienischen Einwanderer bezog, war beim Hell Gate ein Hauch von Boshaftigkeit zu spüren.
    »Wir sollten Christo Shakespeare fragen«, schlug Scarlet vor. »Immerhin sind wir auf dem Weg zu ihm.«
    »Gute Idee«, schloss ich mich dem Vorschlag an. Dann beschleunigten wir unsere Schritte, weil die Nacht meistens kürzer war, als man annahm, und auch Scarlet das unbestimmte Gefühl beschlich, dass sich irgendwann wieder Verfolger an unsere Fersen heften würden.

    Wir erreichten die Public Library eine Dreiviertelstunde später.
    Zu Fuß durch die Stadt zu laufen war nicht die beste Idee gewesen, aber Scarlet hatte darauf bestanden. Sie hatte die frische Luft gebraucht und genossen. Unter gar keinen Umständen war sie dazu zu bewegen gewesen, die Subway zu benutzen.
    Im Archiv der Bibliothek angekommen, empfing uns Shakespeare mit der ihm eigenen Herzlichkeit.
    »Wo habt ihr nur gesteckt!«, rief er uns schon im Treppenhaus entgegen. Die Bibliothek war verwaist um diese Uhrzeit.
    Kurz und bündig berichteten wir ihm, was wir erlebt und wo wir gesteckt hatten.
    Geduldig hörte er sich die ganze Geschichte an. Sein erns tes Gesicht wurde noch ernster und die Falten auf seiner Stirn noch tiefer. Er kraulte andauernd seinen dünnen Bart und riss die Augen weit auf, wie es seine Angewohnheit war, wenn er gespannt zuhörte.
    »Du hast dir wieder Ärger eingehandelt, Schwester«, sagte er tadelnd, als wir fertig waren, doch die Besorgnis in seiner tiefen Stimme war nicht zu überhören. »Du steckst deine Nase in Dinge, die uns alle Kopf und Kragen kosten können.«
    »Ich weiß, ich weiß.«
    »Was sollen wir nun tun, Anthea?«, fragte er.
    »Wir gehen nach Hell Gate.«
    Er starrte mich an, als hätte ich etwas durch und durch Verrücktes gesagt.
    »Hell Gate«, brummte er nur.
    »Ja.«
    »Warum Hell Gate?«

    »Es muss dort einen Zugang zur Hölle geben.«
    Er rieb sich die Augen. »Du willst wirklich dorthin gehen?«
    »Ja.«
    »In die Neverglades?«
    »Wir werden schon zurechtkommen«, sagte ich.
    »Anthea, Schwester«, er sah mich ernst an, »du bist nicht der Typ, der allein in die Neverglades geht. Und Hell Gate, herrje.« Er pfiff durch die Zähne. »Es gibt Geschichten über Hell Gate, und keine davon ist eine schöne Geschichte. Es sind schon viele Menschen dort verschwunden. Nicht mal die Alligatoren jagen in der Nähe der Grotte.«
    »Was sind das für Geschichten?«, fragte Scarlet.
    »Gruselgeschichten«, antwortete Christo Shakespeare.
    Die flackernden Lichter zauberten wie zuvor Schatten in sein Gesicht.
    »Was soll’s«, murmelte ich, »wir befinden uns schließlich mitten in einer Gruselgeschichte.«
    »Hm«, machte er nur und sah grimmig aus.
    »Wir haben die Brooklyn Bridge überlebt«, gab Scarlet zu bedenken.
    Und das Paramount-Theater.
    »Und Chinadowntown.«
    Wir schaffen

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