Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die uralte Metropole Bd. 4 - Somnia

Die uralte Metropole Bd. 4 - Somnia

Titel: Die uralte Metropole Bd. 4 - Somnia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
Vom Netzwerk:
Kleiderschrank befand, warfen lange Schatten, die mehr als nur kühl und unangenehm waren. Drüben, hinter den Dünen, erstreckte sich ein dichter Dschungel. Seltsam lebendig aussehende Lianen rankten sich um die dicken Baumstämme, dornenreiches Gestrüpp versperrte einem den Weg, und von tief, tief drinnen aus der Finsternis, die das Blätterwerk erschuf, hörte man die Geräusche von Tieren, denen man nicht begegnen wollte. Die Sonne, die hier schien, war dunkelrot und heiß wie kalt. Im Sand fand Colin Hinweise, Dinge, die sein Bruder dort hinterlassen hatte. Einen abgewetzten Schuh, einen abgerissenen Knopf, ein zerfleddertes Ray-Bradbury-Taschenbuch (das er wohl irgendwie mit ins Zimmer hatte schmuggeln können: » S is for Space «), einen zweiten Schuh. Manches davon war fast schon vom Sand begraben. Darüber hinaus Dinge, die ein fast Achtjähriger in der Hosentasche so mit sich herumträgt.
    »Ich bin der Spur dieser Sachen gefolgt«, erzählte Colin dem Mädchen, das aufmerksam lauschte.
    Missgestaltete Wesen hatten im Wüstensand gelebt. Die Bewegun gen ihrer Körper waren schlängelnd unter der Oberfläche erkennbar gewesen; manchmal sah man eines, dafür konnte man andere nur spüren. Manche versuchten einen zu packen, mit ihren spitzen Zähnen und rauen Zungen. »Danny musste sich dort verirrt haben.«
    Livia hörte ihm einfach nur zu, und Colin konnte nicht sagen, ob sie ihm Glauben schenkte oder nicht. Ihre Hand aber ließ sie auf seiner liegen, das war etwas, woran er sich auch Jahre später noch erinnern würde.

    »Ich bin also der Spur aus Sachen und Krimskrams gefolgt.« Seine Stimme krächzte, als wollte sie das alles eigentlich gar nicht erzählen. Und doch redete er; unaufhörlich sprudelten die Worte.
    »Es war, als käme man nie an, wo man hinwollte.«
    Genau so war es gewesen.
    Die Wüste zu durchqueren dauerte lange. Wie lange, vermochte Colin nicht zu sagen. Fast war es, als rücke der Dschungel mit jedem Schritt, den Colin tat, ein wenig weiter in die Ferne. Es war wie in einem schlimmen bösen Traum, in dem die Geschwindigkeit keinen Gesetzmäßigkeiten mehr unterliegt, sondern tut, was sie will. Schließlich, nach einer Wanderung, die Tage gedauert zu haben schien, erreichte Colin das Dickicht. Sein Gesicht war verbrannt und seine Kehle ausgedörrt, und er fragte sich, was Helen Darcy ihrem jüngsten Sohn wohl erzählt hatte.
    Colin wusste, dass es ein Fehler sein würde, zu trinken. In Zimmern wie diesem hier durfte man weder essen noch trinken, denn sonst konnten einem seltsame Dinge passieren. Colin kannte das, er selbst war früher auch hin und wieder eingesperrt worden.
    Trotzdem konnte er dem frischen Wasser nicht widerstehen, als er zu einer Quelle kam, die leise auf einer Lichtung sprudelte. Er kniete sich hin und trank aus den Händen und fühlte, wie das kühle Nass ihm die Kehle benetzte. Er rieb sich das Gesicht mit dem Wasser ein und spürte, wie sein Bewusstsein klarer wurde.
    Normalerweise war das Zimmer, in dem er sich jetzt befand, kein unendlicher Dschungel, und normalerweise war es auch keine unendliche Wüste. Es war ein gewöhnliches Zimmer, das als Abstellraum für dies und jenes genutzt wurde, gelegen in einem Seitenflügel von Ravenscraig.
    Doch jetzt war alles anders. Ganz anders.
    Lesen Sie weiter in:
CHRISTOPH MARZI – FABULA

 
     
     
     
     
     
     
     
     
     
    Originalausgabe 12/2008
Redaktion: Uta Dahnke
    Copyright © 2008 by Christoph Marzi Copyright © 2008 dieser Ausgabe by Wilhelm Heyne Verlag, München
    in der Verlagsgruppe Random House GmbH
Umschlagillustration: Dirk Schulz
Karte: Andreas Hancock
     
     
     
    eISBN : 978-3-641-03290-6
     
    www.heyne.de
www.heyne-magische-bestseller.de
    www.randomhouse.de

Weitere Kostenlose Bücher