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Die uralte Metropole Bd. 4 - Somnia

Die uralte Metropole Bd. 4 - Somnia

Titel: Die uralte Metropole Bd. 4 - Somnia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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Scarlet anklagend an. »Ich kenne Wittgenstein sehr gut, und Sie tun das nicht. Er verfolgt einen Plan. Wenn Sie ihn finden, dann liefern Sie ihn Lord
Somnia aus. Und was Ihre Mutter angeht, Rima … da ist nichts, was Sie tun können.«
    »Es gibt immer noch einen anderen Weg«, grummelte Scarlet beleidigt. Sie wusste nicht einmal, warum sie überhaupt noch hier war.
    »Sie haben nicht erlebt, was ich erlebt habe«, sagte Emily Marlowe. »Die Welt ist zu gierig, als dass man sich mit ihr anlegen kann. Ich dachte, dass alles ein gutes Ende haben würde.« Sie sprach nicht weiter, holte tief Luft. »Wir haben unsere Heimat verlassen und werden wohl nie wieder dorthin zurückkehren. Nicht, solange Myriel Manderley Regentin ist. Nicht, solange sie auf das hört, was Lord Somnia ihr zuflüstert.« Sie schwieg, und ihre Hände spielten nervös mit dem Löffel herum, der neben der Teetasse lag. »Lassen Sie die Finger von alledem. Sie können Ihrer Mutter nicht helfen.« Und bevor Scarlet etwas sagen konnte, flüsterte sie mit einer Stimme, die wie verbranntes Laub klang: »Ich weiß sehr wohl, wie es ist, eine Mutter zu verlieren.« Sie schaute auf. »Kehren Sie nach Myrtle’s Mill zurück und tun Sie gar nichts. Lassen Sie den Dingen ihren Lauf.«
    »Das ist der Rat, den Sie mir geben?«
    Die Engländerin nickte.
    »Wir sollen uns verstecken?«
    »Ja.«
    »Einfach gar nichts tun?«
    Tristan Marlowe sagte nur: »Glauben Sie uns, es ist das Beste.«
    Scarlet erhob sich.
    »Sie haben ja recht«, murmelte sie. Das Besteck auf dem Tisch klapperte, als sie gegen die Kante stieß. »Schon richtig, Mrs. Marlowe, ich kenne meinen Vater nicht«, sagte sie laut,
fast schrie sie es schon, »aber ich weiß wirklich nicht, wie er es mit Ihnen ausgehalten hat.«
    Emily Marlowe sagte tonlos: »Dann fragen Sie eben nicht danach.«
    Sonst nichts.
    »Wir wollten Sie nur warnen«, schaltete sich ihr Mann ein.
    Scarlet schüttelte den Kopf, müde.
    Ging zur Tür.
    Es war genug.
    Sie hatte plötzlich das Gefühl, zum Atmen nach draußen gehen zu müssen.
    Buster Mandrake saß noch immer auf ihrer Schulter und schwieg.
    »Miss Hawthorne«, rief ihr die junge Engländerin hinterher, doch Scarlet hörte gar nicht mehr hin.
    Sie lief kopflos nach draußen in die anbrechende Winternacht, wo dicke Schneeflocken im Licht der Laternen tanzten. Sie lehnte sich gegen eine Laterne und schloss die Augen und atmete die eisig kalte Luft ein.
    So gut tat es, hier draußen zu sein, oh, so gut.
    Scarlets Kopf war voller Geschichten, voll der gut gemeinten Ratschläge und widersprüchlichen Gefühle. Sie sah Gesichter in den wild tanzenden Schneeflocken und zog sich schnell den Hut an, der ihr wie ein Schutz gegen die Welt vorkam, mit einem Mal. Sie wünschte sich, dass Jake jetzt hier sein könnte, aber er war es nicht.
    Sie hob den Blick und betrachtete leise den Himmel über Williamsburg. Und ein Gedanke kam ihr, den sie einfach festhielt, weil er schön war.
    »Miss Scarlet?«
    Sie drehte sich um.

    Tränen rannen ihr übers Gesicht. »Es geht schon wieder«, sagte sie.
    Ich trat neben sie. Zupfte ihr den Schal zurecht, schlug ihr den Kragen des Flickenmantels hoch.
    Sagte nur: »So!«
    Wir standen da, Augenblicke vergingen.
    Schließlich fragte Scarlet: »Gehen wir?«
    Ich rückte ihr den Hut zurecht. »Haben Sie noch etwas vor, Miss Scarlet?«
    Sie wischte sich die letzten Tränen aus dem Gesicht und sagte: »Suchen wir Mortimer Wittgenstein!« Dann überquerte sie die Straße und drehte sich nicht ein einziges Mal um.
    Ich folgte ihr, und die Nacht, das wusste ich, gehörte uns und den Dingen, die da harrten, entdeckt zu werden.

KAPITEL 6
    DIE GROTTE IN DEN NEVERGLADES
    Alles in Ordnung?, fragte Buster Mandrake vorsichtig, als wir schweigsam über die Williamsburg Bridge gingen. Scarlet hatte darauf bestanden, zu Fuß nach Manna-hata zurückzugehen.
    »Ich konnte sie nicht leiden, das ist alles.« Scarlet war immerhin ehrlich. »Oh, diese Engländer«, fluchte sie laut, auch jetzt noch, nachdem wir seit einer halben Stunde durch den Schnee stapften. Dann erst wurde ihr bewusst, dass sie erst eine Generation davon entfernt war, selbst als Engländerin durchzugehen. Ihre Mutter war Engländerin, ihr Vater war Engländer. Also verbesserte sie sich und änderte ihre innere Einstellung dahingehend, dass sie sich im Klaren darüber war, dass sie jedenfalls Emily Marlowe nicht leiden konnte. »Sie war anmaßend und so von oben herab . Meine Güte, ich dachte

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