Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die uralte Metropole Bd. 4 - Somnia

Die uralte Metropole Bd. 4 - Somnia

Titel: Die uralte Metropole Bd. 4 - Somnia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
Vom Netzwerk:
nicht, dass es solche Menschen außer in den Jane-Austen-Verfilmungen der BBC noch gibt.« Sie seufzte. »Gut, sie kennt meinen Vater. Und was bedeutet das? Gar nichts.«
    »Sie hat uns immerhin gewarnt«, gab ich zu bedenken.
    Scarlet machte eine wegwerfende Handbewegung. »Sie
führt doch etwas im Schilde.« Überhaupt hatte sie den Eindruck, dass alle etwas im Schilde führten. Keiner schien irgendetwas ohne Plan und Absicht zu machen. »Ich werde meinen Vater finden, denn ich will, dass meine Mutter wieder gesund wird. Ist das denn zu viel verlangt?« Sie trat mit der Stiefelspitze in eine Schneewehe. Herrje, was kümmerten sie Engel und Lucifer und Himmel, die brannten? Sie hatte ihr eigenes kleines Leben geführt, und sie wünschte sich nichts sehnlicher, als dieses winzige, kleine, unbedeutende Leben wieder weiterführen zu können.
    Die Silhouette der Stadt, die niemals schlief, glitzerte und glänzte, als seien die Sterne selbst auf all die Wolkenkratzer gefallen und an den Fassaden kleben geblieben. Es sah aus, als sei ganz Gotham mit sternheller Nacht besprenkelt. Die Brooklyn Bridge lag weiter südlich, und Scarlet konnte kaum glauben, dass sie vor noch gar nicht allzu langer Zeit dort oben auf den Pfeilern gestanden hatte. Es tat weh, an Jake Sawyer zu denken. Doch sie hatte noch immer Hoffnung, dass er es geschafft hatte, aus dem Paramount-Theater zu entkommen.
    Dann rief sie sich den Schatten des Wendigo ins Gedächtnis zurück, und sie verzagte.
    Nein, es gab keine Wunder.
    Nicht in diesen Tagen.
    Oder hier.
    Sie seufzte.
    Eine Weile gingen wir schweigend nebeneinander her. Scarlet ließ sich all die Dinge durch den Kopf gehen, die sie eben erfahren hatte. Die Welt konnte so kalt und kompliziert sein, wenn man erst einmal auf all ihre Stimmen lauschte. Oh, wie sehnte sie die Seen herbei, die klaren Wasser
oben in den Wäldern bei St. Clouds. Nichts würde ihr diese Welt zurückbringen, so viel war klar. Wie immer das alles hier enden würde, es wäre eine andere Welt, die sie vorfinden würde. Schweigen half ihr da auch nicht weiter.
    »Wir haben es also tatsächlich mit Lucifer zu tun«, sagte Scarlet schließlich, als wir fast auf der anderen Flussseite in Manna-hata angekommen waren. »Das klingt doch verrückt, oder etwa nicht?« Sie erinnerte sich an den Ort, den sie erblickt hatte, als sich die Tür im Paramount-Theater geöffnet hatte. Jene Tür, durch die der Kojote und Virginia Dare geflüchtet waren. Es waren Kinder dort gewesen, sie hatten Spiegelscherben in den Augen getragen, und die Höhle, in der sie sich aufgehalten hatten, war voller Eis und Schnee gewesen.
    »Die Welt«, antwortete ich ihr, »ist ein verrückter Ort. Alles ist möglich.« Ich wickelte mir den Schal noch enger um den Hals, denn auf der Brücke wehte ein schneidender Wind. »Wo wäre Wittgenstein am sichersten?«, fragte ich. »Gehen wir einmal davon aus, dass er ein Mann ist, der ungewöhnlichen Gedankengängen folgt und Dinge tut, die man nicht von ihm erwartet.« Ich machte eine Pause, sah sie an. »Wo wird er jetzt wohl sein? Hm?« Scarlet schwieg. »Er wird verfolgt, weil jemand wissen will, wo sich Lucifer aufhält. Aus einem Grund, den wir noch nicht kennen, weiß Wittgenstein, wo sich Lucifer aufhält.« Ich machte eine lange Pause. »Wo, frage ich Sie, ist der sicherste Ort, an dem er sich in dieser Situation aufhalten kann?«
    Scarlet blieb stehen. »Er ist bei Lucifer.«
    Buster Mandrake spähte in die Nacht hinein, wachsam wie immer. Er ist bei Lucifer und Lilith. Er rümpfte die Schnauze. Und bei Virginia und dem Kojoten.

    »Genau. Denn wenn er dort ist, dann ist er in Sicherheit. Dann wird ihm, so oder so, nichts zustoßen. Findet Lord Somnia den Lichtlord, dann wird er sich wohl kaum mit Wittgenstein beschäftigen. Es ist der sicherste Ort, an dem er sich aufhalten kann.«
    »Bleibt aber noch die Frage, warum er überhaupt bei Lucifer ist«, gab Scarlet zu bedenken.
    »Ja, die Frage bleibt uns erhalten, leider.«
    Und wo ist Lucifer?, fragte Buster.
    »In der Hölle?«, mutmaßte Scarlet.
    »Sie sagen es.«
    »In diesem Palast, den er sich einst errichtet hat.«
    Pandaemonium .
    »Und das bedeutet für uns?« Scarlet sah nicht so aus, als wüsste sie keine Antwort auf diese Frage.
    Ich zuckte die Achseln. »Wir müssen in die Hölle hinabsteigen.«
    »Das ist alles?«
    Ich nickte. »Ja.«
    »Kein Zweifel?«
    »Nein.«
    »Und wie, in aller Welt, wollen Sie das anstellen, Mistress Atwood?«
    »Genau da«,

Weitere Kostenlose Bücher