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Die Urth der Neuen Sonne

Die Urth der Neuen Sonne

Titel: Die Urth der Neuen Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gene Wolfe
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Schädel auf Ceryx’ Stab drehten sich in den fauligen Höhlen und stierten mich an; angewidert wandte ich mich ab und wunderte mich, daß ich, ein Folterer, so grausam geworden war. Jemand nahm mich bei der Hand und führte mich zum Schiff. Als wir den wackligen Landungssteg betraten, merkte ich, daß es Burgundofara war.
    Hadelin empfing uns inmitten umherlaufender Matrosen. »Diesmal haben sie ihn gekriegt, Sieur. Letzte Nacht scheuten wir uns alle, den ersten Schlag zu tun. Bei Tageslicht ist alles anders.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Sie haben ihn getötet, weil er ihnen nicht mehr gefährlich gewesen ist, Kapitän.«
    Burgundofara flüsterte: »Er sollte sich hinlegen. Zehrt sehr.«
    Hadelin deutete auf eine Tür unterm Sonnendeck. »Wenn Ihr hinuntergehen wollt, Sieur. Ich zeige Euch die Kabine. Sie ist nicht groß, aber …«
    Ich schüttelte abermals den Kopf. Zu beiden Seiten der Tür standen Bänke, und ich bat, mich darauf ausruhen zu dürfen. Burgundofara sah sich die Kabine an, während ich mich setzte und Zamas Gesicht aus meinen Gedanken zu verscheuchen versuchte und beobachtete, wie die Besatzung das Schiff klar zum Ablegen machte. Einer der sonnengebräunten Flußmatrosen kam mir bekannt vor. Aber ich, der ich nichts vergessen kann, habe zuweilen Mühe, etwas einzuordnen im Gedächtnis, das unentwegt größer wird.
     

 
An Bord der Alcyone
     
    Die Alcyone war eine Schebecke mit Tiefgang und schmalem Zuschnitt. Der Fockmast trug ein immenses Lateinsegel, der Großmast drei Rechtecksegel, die zum Reffen aufs Hauptdeck abgelassen werden konnten, und der Besanmast ein Gaffelsegel mit einem rechteckigen Topsegel obenauf. Dem Gaffelsegelbaum war ein Fahnenmast aufgesetzt, so daß bei festlichen Anlässen (und als solchen schien Hadelin unsre Abfahrt zu betrachten) ein schmuckes Banner überm Wasser wehen konnte. Flaggen ähnlicher Machart, die meines Erachtens keine Nation auf Urth darstellten, flatterten von den Mastspitzen.
    Offengestanden hat der Antritt einer Seefahrt irgend etwas unwiderstehlich Feierliches an sich, vorausgesetzt er findet bei Tage und bei gutem Wetter statt. Jeden Moment, so hatte ich den Eindruck, würden wir ablegen, und mit jedem Moment wurde mir leichter ums Herz. Meine frohe Stimmung war, wie ich merkte, fehl am Platze, denn eigentlich hätte ich mich elend und erschöpft fühlen sollen, wie ich mich in der Tat gefühlt hatte, als ich auf den armen toten Zama niederblickte, ein Gefühl, das noch eine Weile angehalten hatte. Freilich konnte ich nun nicht mehr so empfinden. Ich zog die Kapuze meines Mantels über den Kopf, wie ich einst die Kapuze meines Zunftmantels hochgezogen hatte, als ich lächelnd über die Wasserstraße ins Exil zog, und obgleich der Mantel (den ich eines Morgens, der mir nun fern schien wie das erste Morgengrauen auf Urth, meiner Prunkkabine auf Tzadkiels Schiff entnommen hatte) rein zufällig fuliginschwarz war, lächelte ich noch einmal bei der Einsicht, daß derselbe Strom jene Wasserstraße säume und dasselbe Wasser, das nun uns umspülte, bald gegen jenes dunkle Pflaster woge.
    Aus Furcht, daß Burgundofara wiederkäme oder ein Matrose mein Gesicht sähe, stieg ich die wenigen Stufen zum Achterdeck hinauf und merkte, daß wir abgelegt hatten, während ich meinen Gedanken nachhing. Os lag bereits weit hinter uns und wäre schwerlich sichtbar gewesen, wäre die Luft nicht kristallklar gewesen. Seine schäbigen Gassen und gemeinen Bürger waren mir bekannt; aber der strahlende Morgen verwandelte seine schiefen Mauern und baufälligen Türme in eine Märchenstadt, die ich in Theclas braunem Buch gesehen hatte. Ich erinnerte mich natürlich an die Geschichte, wie ich mich an alles erinnere; und ich erzählte sie mir, flüsternd auf die Reling gestützt, den Blick auf die entschwindende Stadt gerichtet, eingelullt vom sanften Schaukeln des Schiffes, das kaum krängte in der leichtesten Brise.
     
    DIE GESCHICHTE DER STADT,
DIE FAUNA VERGESSEN HAT
     
    Vor langer Zeit, als der Pflug gerade erfunden war, fuhren neun Männer einen Fluß hinan, um einen Platz zur Gründung einer neuen Stadt zu finden. Nachdem sie viele Tage mühsam durch bloße Wildnis gerudert waren, kamen sie an eine Stelle, wo eine Greisin eine Hütte aus Stöcken errichtet und einen Garten gepflanzt hatte. Dort zogen sie ihr Boot ans Ufer, denn die Vorräte, die sie mitgeführt hatten, waren aufgezehrt, und seit zahllosen Tagen hatten sie nur gegessen, was sie an Fisch aus dem

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