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Die Urth der Neuen Sonne

Die Urth der Neuen Sonne

Titel: Die Urth der Neuen Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gene Wolfe
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Jüngling lebend wiederzusehen, legte ich ihm die Hand aufs Haupt und murmelte feststehende Sprüche, die besagten, daß ihm das Glück hold sein möge in diesem Leben und im nächsten. Es war ein Segen, den ich als Autarch zuweilen erteilt hatte.
    Ich hatte nichts Großes damit beabsichtigt, dennoch war die Wirkung verblüffend. Als ich die Hand fortnahm, war mir, als hätten sich die Jahre auf ihn gelegt wie Staub und wären unsichtbare Mauern eingestürzt, um den Wind einzulassen; seine Augen weiteten sich, bis sie groß wie Untertassen waren; er sank auf die Knie.
    Als wir ein Stück weit gegangen waren, schaute ich zurück. Er kniete nach wie vor und sah uns nach, aber war nicht mehr alt. Er war auch nicht jung, sondern einfach er selbst, ein vom Joch der Zeit Befreiter.
    Obwohl Zama nicht sprach, legte er mir den Arm über die Schulter. Ich legte meinen darauf, und so schlenderten wir die Straße hinauf, die ich am Vorabend mit Burgundofara beschritten hatte, und fanden sie in der Gaststube des Chowder Pot beim Frühstück mit Hadelin.
     

 
Zur Alcyone
     
    Wir wurden nicht erwartet: es war nicht gedeckt für weitere Personen. Ich schob einen Stuhl für mich heran und einen zweiten für Zama, der nur dastand und starrte.
    »Wir dachten, Ihr wäret weg, Sieur«, sagte Hadelin. Sein Gesicht und das Gesicht von Burgundofara verrieten mir recht deutlich, wo sie die Nacht verbracht hatte.
    »War ich auch«, erklärte ich, nicht an ihn, sondern an sie gewandt. »Aber ich sehe, du bist ohne Mühe in unser Zimmer gekommen, um deine Kleider zu holen.«
    »Ich habe dich für tot gehalten«, meinte Burgundofara.
    Als ich darauf nichts erwiderte, fügte sie hinzu: »Ich habe gedacht, dieser Mann hätte dich umgebracht. Die Tür war mit allerlei Zeug blockiert, das ich wegräumen mußte, aber die Fensterläden waren aufgebrochen.«
    »Wie auch immer, Sieur, Ihr seid wieder da.« Hadelin versuchte einen heiteren Ton anzuschlagen, was mißlang. »Wollt ihr nach wie vor flußabwärts mit uns?«
    »Vielleicht«, sagte ich. »Nachdem wir dein Schiff gesehen haben.«
    »Dann wird die Antwort wohl positiv ausfallen, Sieur.«
    Der Wirt kam hinzu, verneigte sich und rang sich ein Lächeln ab. Ich bemerkte, daß er im Gürtel hinter der ledernen Schürze ein Schlachtmesser stecken hatte.
    »Für mich Obst«, bestellte ich. »Gestern abend hieß es, du hast welches. Und für den Mann hier auch. Wir sehen schon, ob er was ißt. Und Matetee für uns beide.«
    »Sofort, Sieur.«
    »Sobald ich gegessen habe, können wir beide hinaufgehen in unser Zimmer. Wir müssen uns über die Höhe des Schadens einig werden.«
    »Das wird nicht nötig sein, Sieur. Eine Kleinigkeit! Vielleicht können wir uns darauf verständigen, daß Ihr ein Orikalkum als symbolische Summe zahlt?« Er rieb sich die Hände, wie man es bei solchen Leuten häufig zu sehen bekommt, aber das Zittern ließ die Geste lächerlich wirken.
    »Fünf, würde ich meinen, oder zehn. Eine kaputte Tür, eine beschädigte Wand und ein kaputtes Bett: wir zwei gehen jetzt hoch und schätzen.«
    Auch seine Lippen bebten, und mit einemmal fand ich keinen Gefallen mehr daran, diesen kleinen Mann zu ängstigen, der mit Stock und Laterne herbeigeeilt war, als er merkte, daß einer seiner Gäste angegriffen wurde. »Solltest nicht so viel trinken«, sagte ich und berührte seine Hände.
    Lächelnd säuselte er: »Danke, Sieur! Obst, jawohl, Sieur!« Er ging.
    Es waren lauter tropische Früchte, womit ich fast gerechnet hatte: Paradiesfeigen, Orangen, Mangos und Bananen, die auf dem Landweg von Packtierkarawanen zum Oberlauf geschafft und weiter nach Süden verschifft wurden. Äpfel und Pampelmusen gab es nicht. Ich lieh mir das Messer, mit dem Zama erdolcht worden war, um mir eine Mango zu schälen, und wir aßen schweigend. Nach einer Weile aß auch Zama, was ich für ein gutes Zeichen hielt.
    »Noch etwas, Sieur?« erkundigte sich der Wirt an meiner Seite. »Wir haben reichlich.«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Also dann …?« Er nickte in Richtung Treppe, woraufhin ich mich erhob und den andern bedeutete, Platz zu behalten.
    Burgundofara sagte: »Du hättest ihm die Furcht lassen sollen. Es wäre billiger geworden.« Der Wirt bedachte sie mit einem gehässigen Blick.
    Sein Wirtshaus, das nicht groß gewirkt hatte in der Nacht, als ich müde und alles in Dunkelheit gehüllt war, entpuppte sich nun als winzig. Vier Zimmer in unserm Stockwerk und weitere vier, nehme ich an, im Geschoß

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