Die Urth der Neuen Sonne
hatte. »Die meisten fliegen nicht mehr.«
Ich gab zu, solche noch nie gesehen zu haben.
Wir bogen um eine Ecke und hatten einen herrlichen Ausblick ins Tal: die dunkle Ufermauer und die festgemachten Schiffe und Boote, und dahinter der breite Gyoll, dessen Wasser in der Sonne schimmerte und dessen gegenüberliegendes Ufer sich in glänzendem Nebel verlor. »Wir müssen ein gutes Stück unterhalb von Thrax sein«, sagte ich zu Burgundofara, die ich momentan für Gunnie hielt, der ich von Thrax erzählt hatte.
Sie wandte sich mir zu, lächelte und versuchte meinen Arm zu nehmen. Hadelin antwortete: »Eine gute Woche, es sei denn man hat ständig günstigen Wind. Wundert mich, daß Ihr so ein Kaff kennt.«
Bis wir zum Kai kamen, hatte sich uns eine Menschenmenge angeschlossen, die zwar meist Abstand hielt, aber es wurde getuschelt und auf Zama und mich gezeigt. Burgundofara versuchte, die Leute fortzujagen, was ihr nicht gelang, woraufhin sie mich bat, es zu tun.
»Warum?« sagte ich. »Wir fahren sowieso bald.«
Eine Greisin rief Zama an und lief zu ihm, um ihn in die Arme zu schließen. Er lächelte, und es lag auf der Hand, daß sie ihm nichts Böses wollte. Dann sah ich ihn nicken, als sie wissen wollte, ob es ihm gut gehe, und ich erkundigte mich, ob sie seine Großmutter sei.
Sie machte einen bäurischen Knicks. »O nein, Sieur. Aber ich habe sie und alle ihre Kinder früher gekannt. Als ich hörte, Zama sei tot, war mir, als wäre ein Teil von mir mit ihm gestorben.«
»Mir ging es nicht anders«, räumte ich ein.
Matrosen kamen herbei, um uns die Tornister abzunehmen, und ich erkannte, daß ich mich so von Zama und der Greisin hatte faszinieren lassen, daß ich darauf vergaß, einen Blick auf Hadelins Schiff zu werfen. Es war eine Schebecke, die keinen schlechten Eindruck machte – ich hatte immer Glück, was meine Schiffe anging. Schon an Bord, winkte Hadelin uns zu sich.
Die Greisin klammerte sich tränenüberströmt an Zama. Vor meinen Augen tupfte er ihr eine Träne aus dem Gesicht und sagte: »Weine nicht, Mafalda!« Das war das einzige Mal, daß ich ihn sprechen hörte.
Die Autochthonen sagen, ihr Vieh könne reden, aber schweige, wisse es doch, daß Sprache Dämonen heraufbeschwöre, weil alle unsre Wörter nur Flüche in der Zunge des Empyreums seien. Für Zama schien das in der Tat zu gelten. Die Menge teilte sich, wie Wellen sich vor den schrecklichen Kiefern eines Kronosauriers teilen, und heran rückte Ceryx.
Auf seinem eisenbeschlagenen Stock steckte ein verwesender Menschenschädel, und seine hagere Gestalt war in blankes Menschenleder gehüllt; als ich freilich seine Augen sah, wunderte ich mich, daß er solchem Plunder Wert beimaß, wie man sich wundert, wenn man eine Schönheit sieht, die sich mit Glasperlen schmückt und falscher Seide kleidet. Ich hatte ihn nicht für einen so großen Magier erachtet.
Von der Zucht, die ich als Knabe genossen, geleitet, nahm ich das Messer, das Burgundofara mir in die Hand drückte, und salutierte, ehe der Increatus zwischen uns wählen sollte, indem ich die flache Schneide vors Gesicht hielt.
Bestimmt glaubte er, ich wolle ihn töten, wie Burgundofara es verlangte. Er murmelte in die linke Hand und machte sich bereit, den giftigen Bann gegen mich zu schleudern.
Zama verwandelte sich. Nicht langsam, wie man das aus Sagen kennt, sondern mit einer Plötzlichkeit, die es nur grausiger machte, wurde er wieder zum Toten, der in unser Zimmer eingebrochen war. Die Menge schrie auf wie eine kreischende Affenhorde.
Ceryx hätte sich geflüchtet, wären die Menschen vor ihm nicht zur Wand zusammengerückt. Oder aber es hielt ihn jemand fest oder verwehrte ihm ungewollt den Rückzug; ich weiß es nicht. Im nächsten Moment war Zama über ihm, und ich hörte seinen Nacken knacken, wie ein Knochen in der Schnauze eines Hundes knackt.
Einen Atemzug lang lagen die beiden aufeinander, der Tote auf dem Toten; dann erhob sich Zama, der wieder lebte und diesmal ganz lebte, wie’s schien. Er erkannte die Greisin wieder und auch mich. Er tat den Mund auf. Ein halbes Dutzend Klingen hatten ihn zerfleischt, ehe er etwas sagen konnte.
Als ich ihn erreichte, war er weniger ein Mensch als ein Brocken blutenden Fleisches. Blut strömte ihm in versiegendem Schwall aus der Kehle; sicherlich schlug das blutumspülte Herz noch, obgleich die Brust von einer Hippe eröffnet war. Ich stand über ihm und versuchte ihn noch einmal ins Leben zurückzurufen. Die Augen im
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