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Die Urth der Neuen Sonne

Die Urth der Neuen Sonne

Titel: Die Urth der Neuen Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gene Wolfe
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sollte, aus den Augen verlor. Ich hatte sie leichten Herzens fortgeschickt; nun aber, da sie gegangen waren, erfuhr ich abermals, was es bedeutete, einen Freund zu verlieren – denn auch der Chiliarch war mir ein Freund geworden – und glaubte, mir würde das Herz, das eherne (wie manchmal behauptet), zerspringen.
    »Auch von dir muß ich Abschied nehmen«, sagte ich zum Smilodon. »Eigentlich hätte ich dich schon wegschicken sollen, als es noch dunkel war.«
    Er brummte kehlig, was wohl sein Schnurren sein mußte, wie es sicherlich nicht oft vernommen wurde von Menschen. Nun wurde das dumpfe Grollen vom Himmel erwidert.
    Weit über dem Schoß des Kolosses erstürmte ein Flieger den Himmel, der zunächst langsam stieg (wie immer, wenn allein Repulsionskräfte der Urth darauf wirken), um dann davonzuschießen. Ich erinnerte mich an den Flieger, den ich gesehen hatte, als ich mich von Vodalus trennte nach dem Geschehnis, womit ich das Manuskript eröffnete, das ich den sich stets wandelnden Universen zuwarf. Und ich nahm mir vor, daß ich, sobald ich die Muße dazu hätte, einen neuen Bericht verfassen wolle, der, wie geschehen, mit dem Hinauswurf der alten Geschichte beginnen sollte.
    Woher dieses unstillbare Verlangen kommt, eine Tintenspur hinter mir zurückzulassen, das kann ich nicht sagen. Einmal freilich ließ ich ein Ereignis aus dem Leben Ymars anklingen. Nun hatte ich mit Ymar höchsteigen gesprochen, dennoch bleibt dieses Ereignis ebenso rätselhaft wie mein Verlangen. Es wäre mir lieber, nähmen entsprechende Ereignisse aus meinem Leben keine ähnlich obskuren Züge an.
    Das Donnern, das ferne, setzte, jetzt näher, abermals ein als Stimme einer nachtschwarzen Wolkensäule, die selbst über den Arm des kolossalen Typhons hinausragte. Die Prätorianer hatten Essen und Trinken ein ganzes Stück vor meinem kleinen Unterstand abgestellt. (Dies ist der Preis unsterblicher Loyalität; wer sie zu haben beteuert, plagt sich selten gleichermaßen hingebungsvoll wie der gemeine Diener, dessen Loyalität auferlegte Pflicht ist.) Ich ging mit dem Smilodon hinaus, um die Verpflegung ins Trockene zu bringen. Schon hatte der Wind sein Sturmlied zu heulen begonnen und klatschten Regentropfen, groß wie Pflaumen und eiskalt, auf den Fels vor uns.
    »Eine bessre Gelegenheit kriegst du nicht wieder«, sagte ich dem Smilodon. »Alles rennt, um sich unterzustellen. Lauf los!«
    Er sprang davon, als hätte er nur auf mein Kommando gewartet, wobei er mit jedem Satz zehn Ellen überwand. Im Nu war er überm Rand des Armes verschwunden. Momente später tauchte er wieder auf als lohfarbener Streifen auf regennassem braunen Grund, vor dem Arbeiter und Soldaten das Hasenpanier ergriffen. Ich stellte mit Genugtuung fest, daß sämtliche Waffen des Tierreichs, so schrecklich sie auch scheinen mögen, bloße Spielzeuge sind im Vergleich zu den Waffen des Menschen.
    Ob er heil in seine Jagdgründe zurückfand, kann ich nicht mit Bestimmtheit sagen, obwohl ich davon ausgehe. Was mich anging, so saß ich unter dem Unterstand und lauschte dem Sturm und kaute Brot und Obst, bis eine Bö das Segeltuch überm Kopf wegriß.
    Ich sprang auf; durch den dichten Regen sah ich einen Trupp von Soldaten den Arm besteigen.
    Zu meinem Erstaunen sah ich auch Stellen ohne Regen oder Soldaten. Das soll nicht heißen, daß diese hinzugekommenen Stellen sich dort auftaten, wo der Abgrund gegähnt hatte. Der quälende Schlund blieb erhalten, wo der Fels mindestens eine Meile jäh abfiel wie ein Katarakt zum satten Grün des Urwalds tief drunten zu seinen Füßen – dem Urwald, der das Dorf der Zauberer beherbergen würde, durch das ich mit dem Knaben Severian ziehen sollte.
    Vielmehr war mir, als hätten sich die vertrauten Richtungen von Oben und Unten, Vorn und Hinten, Links und Rechts aufgetan wie eine Blume und ungeahnte Blütenblätter aufgefächert, die mir bislang verborgen geblieben waren.
    Einer der Soldaten feuerte. Der Strahl fuhr vor meinen Füßen in den Fels und spaltete ihn wie ein Meißel. Jetzt wußte ich, daß sie den Auftrag hatten, mich zu töten, weil vermutlich einer der Männer in Begleitung des Chiliarchen sich gegen sein Schicksal aufgelehnt und Meldung von dem Vorfall erstattet hatte, obwohl es mittlerweile zu spät war, die Flucht der andern zu vereiteln.
    Ein zweiter Soldat zielte. Um seinem Schuß auszuweichen, trat ich vom regennassen Fels an einen andern Ort.
     

 
Der Bach jenseits Brian
     
    Ich stand auf einer

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