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Die Urth der Neuen Sonne

Die Urth der Neuen Sonne

Titel: Die Urth der Neuen Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gene Wolfe
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angenommen habe. In allen den Worten war nicht eine Silbe gelogen.«
    »Ich habe gelogen, wenn ich es für nötig gehalten habe, aber auch nur so.«
    Sie lächelte, aber blieb eine Antwort schuldig.
    Ich sagte: »Ich würde dich auch jetzt belügen, mächtiger Hierogrammat, wenn ich wüßte, daß mein Lügen die Urth retten könnte.«
    »Du hast sie bereits gerettet. Angefangen an Bord meines Schiffes, hast du dein Werk in unsrer Sphäre vollendet, in und auf der Welt, die ihr Yesod nennt. Agilus und Typhon und viele andere, die gegen dich gekämpft haben, müssen den Eindruck gewonnen haben, daß der Kampf ein ungerechter ist. Wenn sie klug gewesen wären, hätten sie gemerkt, daß der Kampf schon entschieden war irgendwo und irgendwann; aber wenn sie klug gewesen wären, hätten sie dich als unsern Diener erkannt und gar nicht erst gekämpft gegen dich.«
    »Dann kann ich also gar nicht versagen?«
    »Nein. Du hast nicht versagt. Du hättest auf dem Schiff versagen können und ebenso später noch, aber du konntest nicht sterben vor der Prüfung, wie du auch jetzt nicht sterben kannst, bis dein Werk vollendet ist. Wäre dem nicht so, hätten dich die Schläge getötet und die Waffe im Turm und so weiter. Aber dein Werk ist bald vollendet. Deine Macht kommt von deinem Stern, wie du weißt. Wenn er in eure alte Sonne dringt und eine neue Sonne entstehen läßt …«
    Ich sagte: »Ich habe mich zu oft gerühmt, den Tod nicht zu fürchten, so daß ich heute beim bloßen Gedanken daran zittere.«
    Sie nickte. »Das ist gut so. Briah ist kein dauerhaftes Haus.«
    »Aber das hier ist Briah oder ein Teil davon. Es ist ein Gang in deinem Schiff, den du mir gezeigt hast, als du mich in meine Prunkkabine geführt hast.«
    »Wenn dem so ist, bist du Yesod nahe gewesen bei mir auf unserm Schiff. Das ist der Bach Madregot, der von Yesod nach Briah fließt.«
    »Zwischen den Universen?« fragte ich. »Wie kann das sein?«
    »Wieso nicht? Energie strebt stets einem tieferen Zustand zu; was lediglich bedeuten soll, daß der Increatus alle Universen zwischen seinen Händen hin und her wirft.«
    »Aber es ist ein Bach«, wandte ich ein. »Wie die Bäche auf Urth.«
    Tzadkiel nickte. »Auch diese sind Energie, die einem tieferen Zustand zustrebt, und was man wahrnimmt, hängt allein vom Instrument ab. Hättest du andre Augen oder einen andern Verstand, würdest du alle Dinge anders sehen.«
    Ich dachte kurz darüber nach und meinte schließlich: »Und wie sähe ich dich, Tzadkiel?«
    Sie hatte neben mir auf dem Ufer gesessen; nun legte sie sich ins Gras, das Kinn in die Hände gebettet, die bunten Flügel am Rücken ausgebreitet wie mit Augen bemalte Fächer. »Du hast diese Energiefelder genannt, und das sind sie unter anderem auch. Kennst du die Felder der Urth, Severian?«
    »Ich bin nie hinter dem Pflug gegangen, aber ich kenne sie, soweit ein Stadtmensch sie kennen kann.«
    »Richtig. Und was findet man eigentlich am Rand eurer Felder?«
    »Lattenzäune oder Hecken, um das Vieh abzuhalten. In den Bergen Trockenmauern aus Stein, um Wild fernzuhalten.«
    »Und sonst nichts?«
    »Sonst fällt mir nichts ein«, erwiderte ich. »Obwohl ich unsere Felder vielleicht mit dem falschen Instrument gesehen habe.«
    »Die Instrumente, die du hast, sind die richtigen Instrumente für dich, denn von ihnen bist du geformt worden. Das ist ein weiteres Gesetz. Also nichts sonst?«
    Ich dachte an die Rainhecken und das Sperlingsnest, das ich einmal darin gesehen hatte. »Unkraut und Getier.«
    »Hier gilt nämliches. Ich selbst bin so ein Getier, Severian. Du wirst meinen, ich halte mich hier auf, um dir zu helfen. Ich wünschte nur, dem wäre so, und darum helfe ich dir, wo ich kann; aber ich bin ein Teil von mir, der hierher verbannt worden ist lange, sehr lange vor unsrer ersten Begegnung. Vielleicht wird die Riesin, die du Tzadkiel nennst, obwohl das auch mein Name ist, mich eines Tages wieder als Teil von sich haben wollen. Bis dahin bleibe ich hier zwischen den Anziehungskräften von Yesod und Briah. Um dir deine Frage zu beantworten: Hättest du ein anderes Instrument, sähest du mich vielleicht, wie sie mich sieht; dann könntest du mir sagen, warum ich verbannt worden bin. Aber solange du dergleichen nicht sehen kannst, weiß ich nicht mehr, als du weißt. Möchtest du jetzt in deine Welt Urth zurückkehren?«
    »Ja«, entgegnete ich. »Aber nicht in die Zeit, aus der ich gekommen bin. Als ich, wie gesagt, zur Urth zurückkehrte, glaubte

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