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Die Urth der Neuen Sonne

Die Urth der Neuen Sonne

Titel: Die Urth der Neuen Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gene Wolfe
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hätte er nur eine der massiv gebauten Hütten räumen lassen und mich dort hinter Gitter setzen können. Offenbar wollte er sich damit nicht begnügen; er wollte mich erschrecken und einschüchtern und somit fügsam machen.
    Mein Gefängnis war ein noch nicht abgetragener Felsvorsprung in der Robe der Riesengestalt, die bereits seine Gesichtszüge trug. Man hatte mir einen kleinen Unterstand aus Steinen und Segeltuch eingerichtet auf dem zugigen Gesims, wohin man Bratfleisch und einen erlesenen Wein brachte, der bestimmt für Typhon persönlich eingelagert worden war. Vor meinen Augen wurde ein Balken, der, wenngleich nicht so hoch, fast so dick wie der Besanmast der Alcyone war, in den Fels eingelassen, wo der Vorsprung vom Berg führte, und an dessen Fuß ein Smilodon gekettet. Vom Balken baumelte an einem Haken der Chiliarch, der – wie zuvor ich – mit Handschellen gefesselt und daran aufgehängt war.
    Solange es hell war, beobachtete ich sie, obwohl ich bald merkte, daß am Fuße des Berges eine Schlacht tobte. Der Smilodon wirkte ausgehungert. Von Zeit zu Zeit sprang er hoch und schlug nach den Beinen des Chiliarchen, der sie jedesmal anzog, so daß er sie um eine Elle verfehlte, wobei die starken Krallen, die das Holz zwar ritzten wie Beitel, ihm jedoch keinen Halt verschafften. An diesem einzigen Nachmittag wurden meine Rachegelüste komplett für alle Zeiten gestillt. Als es Nacht wurde, brachte ich dem Smilodon zu fressen.
    Auf meiner Reise gen Thrax mit Dorcas und Jolenta hatte ich einmal eine Bestie befreit, die auf ähnliche Weise wie der Chiliarch angebunden war. Sie hatte mich nicht angegriffen; vielleicht weil ich das Juwel trug, das Klaue des Schlichters hieß, vielleicht weil es zu geschwächt dafür war. Nun fraß mir der Smilodon aus der Hand und leckte mir mit breiter rauher Zunge die Finger. Ich berührte die gebogenen Zähne, Zähne wie Mammut-Elfenbein, und ich kratzte ihn hinter den Ohren, wie ich es bei Triskele getan hätte, wobei ich zu ihm sagte: »Wir sind alte Schwertträger, nicht wahr?«
    Obwohl ich nicht glaube, daß Tiere mehr als simple gewohnte Worte verstehen, war mir, als nickte er mit dem wuchtigen Schädel.
    Die Kette war am Halsband befestigt mit zwei handtellergroßen Karabinerhaken. Ich öffnete sie und ließ das arme Tier frei, aber es blieb an meiner Seite.
    Der Chiliarch war nicht so einfach zu befreien. Zwar konnte ich den Balken spielend erklimmen, indem ich mit den Knien klammerte, wie ich als Kind einst die Kiefern der Nekropolis erklommen hatte. Mittlerweile war der Horizont tief unter meinen Stern gesunken, und ich hätte ihn leicht vom Haken heben und hinunterwerfen können; aber ich getraute mich nicht aus Furcht, er stürze in den Abgrund oder der Smilodon fiele ihn an. Obwohl ich ihn im spärlichen Licht nicht mehr sehen konnte, leuchteten seine Augen, als er zu uns heraufstarrte.
    Zuletzt hängte ich ihn mir mit den Armen um den Hals und kletterte hinunter, wobei ich fast gestürzt wäre und er mich beinahe erwürgte. Dennoch erreichten wir schließlich den rettenden Fels. Als ich ihn in den Unterstand trug, folgte der Smilodon uns und legte sich uns zu Füßen.
    Als am Morgen sieben Wächter kamen mit meinem Essen und Wasser und Wein und mit Fackeln, die sie an Stangen gebunden hatten, um den Smilodon zurückzutreiben, war ihr Chiliarch wieder bei Bewußtsein und hatte gegessen und getrunken. Die Bestürzung in den Gesichtern der Soldaten, die sahen, daß der Chiliarch und der Smilodon verschwunden waren, belustigte uns; aber es war gar nichts im Vergleich zu den Mienen, die sie aufsetzten, als sie die beiden in meinem Unterstand entdeckten.
    »Kommt her!« sagte ich ihnen. »Das Tier tut euch nichts, und euer Chiliarch bestraft euch nur, wenn ihr gegen Pflichten verstoßen habt, möchte ich meinen.«
    Sie rückten, wenngleich zögernd, näher, wobei sie mich nahezu ebenso furchtsam beäugten wie den Smilodon.
    Ich sagte: »Ihr seht, was euer Monarch mit eurem Chiliarchen anstellte, weil er zuließ, daß ich eine Waffe am Leib trug. Was wird er wohl mit euch anstellen, wenn er hört, daß ihr euren Chiliarchen habt entkommen lassen?«
    Der Vingtner antwortete: »Wir werden alle sterben, Sieur. Es werden ein paar Pfähle mehr aufgestellt und wir jeweils zu dritt oder viert daran aufgehängt.« Der Smilodon fauchte bei diesen Worten, woraufhin alle sieben zurückwichen.
    Der Chiliarch nickte. »Er hat recht. Ich selbst würde es anordnen, wenn ich noch im

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