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Die Urth der Neuen Sonne

Die Urth der Neuen Sonne

Titel: Die Urth der Neuen Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gene Wolfe
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hereinlugten.
    Nichts geht meinem Gedächtnis verloren, wenn ich nicht bewußtlos oder annähernd bewußtlos bin. Ich erinnerte mich an jeden Gang zwischen meiner Kabine und der Luke, die mich aufs Deck entlassen hatte, aber dieser gehörte nicht dazu. Die meisten waren ausgestattet wie der Salon eines Chateaus mit Bildern und glänzenden Böden. Hier wurde das braune Holz des Decks von einem grünen Teppichbelag abgelöst, dessen grasartiger Flor, winzige Zähnchen, sich in die Stiefelsohlen krallten, so daß ich das Gefühl hatte, die blaugrünen Halme wären richtige Nadeln.
    Nun stand ich vor einer Entscheidung, die mir nicht schmeckte. Hinter mir war die Luke. Ich könnte wieder hinausgehen und Deck für Deck nach meinem Quartier absuchen. Oder aber ich könnte diesem breiten Gang folgen und von innen suchen. Diese Alternative hatte den großen Nachteil, daß ich mich im Innern leicht verirren konnte. Doch wäre das schlimmer als durchs Takelwerk zu irren, wie es geschehen war? Oder im endlosen Raum zwischen den Sonnen, wie es beinahe geschehen wäre?
    Ich schwankte noch, als ich Stimmen vernahm. Dabei fiel mir ein, wie lächerlich ich aussähe mit dem noch um die Hüften gebundenen Mantel. Ich löste den Knoten und war eben damit fertig, als die Leute, deren Stimmen ich vernommen hatte, in Sicht kamen.
    Alle waren sie bewaffnet, aber damit endete jede Ähnlichkeit. Einer war ein ganz gewöhnlicher Mann, wie man ihn jeden Tag in den Docks von Nessus angetroffen hätte. Ein anderer war von einer Rasse, der ich nie begegnet war auf allen meinen Reisen: hochgewachsen wie ein Beglückter und nicht von der bräunlichrosigen Hautfarbe, die wir weiß zu nennen belieben, sondern wahrlich weiß, weiß wie Schnee und mit einem ebenso weißen Haarschopf. Die dritte im Bunde war eine Frau, ein wenig kleiner als ich und so kräftig gebaut, wie ich es bei noch keiner gesehen hatte. Hinter dem Trio, das sie nahezu vor sich herzutreiben schien, folgte eine Gestalt, hinter der ich einen starken Mann in voller Rüstung vermutete.
    Sie wären wohl ohne ein Wort an mir vorbeigegangen, wenn ich es zugelassen hätte, aber ich stellte mich mitten in den Korridor und verwehrte ihnen den Weg, wobei ich ihnen meine mißliche Lage erklärte.
    »Ich habe es gemeldet«, klärte mich der Mann in Rüstung auf. »Entweder holt dich jemand ab, oder man schickt mich mit dir mit. Vorerst mußt du mitkommen.«
    »Wohin?« fragte ich, aber er wandte sich ab und deutete auf die beiden Männer.
    »Komm!« bat die Frau und küßte mich. Es war kein inniger Kuß, aber ich glaubte, eine gewisse derbe Leidenschaft zu spüren. Sie packte mich, kräftig wie ein Mann, beim Arm.
    Der gemeine Matrose (der eigentlich gar nicht gemein aussah mit seinem fröhlichen, recht hübschen Gesicht und dem südblonden Haar) sagte: »Du wirst schon mitkommen müssen, denn sonst wissen sie nicht, wo sie dich suchen sollen – falls sie überhaupt suchen. So schlimm wird’s wohl nicht werden.« Er sprach über die Schulter beim Gehen; die Frau und ich folgten.
    Der Weißhaarige meinte: »Vielleicht kannst du mir helfen.«
    Ich nahm an, daß er mich erkannte; da ich glaubte, so viele Verbündete wie möglich gewinnen zu müssen, antwortete ich, daß ich dazu bereit sei, wenn ich könne.
    »Um Danaide willen, sei still!« verlangte die Frau. Und zu mir: »Hast du eine Waffe?«
    Ich zeigte ihr meine Pistole.
    »Damit mußt du hier drinnen vorsichtig sein. Kannst du sie klein stellen?«
    »Schon geschehen.«
    Sie und die übrigen hatten jeweils ein Caliver, eine Art Muskete mit kürzerem, aber dickerem Schaft und schmalerem Lauf. Ein langer Dolch steckte in ihrem Gürtel. Die beiden Männer hatten ein Bolo, ein kurzes, schweres breitschneidiges Haumesser.
    »Ich bin Purn«, sagte der Blonde zu mir.
    »Severian.«
    Er hielt mir die Hand hin, die ich drückte – eine Seemannshand, breit, rauh, kräftig.
    »Sie heißt Gunnie …«
    »Burgundofara«, sagte die Frau.
    »Wir nennen sie Gunnie. Und das ist Idas.« Er deutete auf den Weißhaarigen.
    Der Mann in Rüstung blickte in den Korridor zurück und sagte: »Still!« Ich hatte noch nie jemanden gesehen, der seinen Kopf so weit drehen konnte. »Wie heißt er?« flüsterte ich Purn zu.
    Gunnie gab mir statt dessen Antwort. »Sidero.« Von allen dreien fürchtete sie ihn wohl am wenigsten.
    »Wohin führt er uns?«
    Sidero lief an uns vorbei und riß eine Tür auf. »Hier. Der Platz ist gut. Wir sind voller Zuversicht. Verteilt

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