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Die Vagabundin

Die Vagabundin

Titel: Die Vagabundin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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Standesunterschieds, aber jetzt war schließlich alles einerlei. Doch bevor der Junker etwas entgegnen konnte, öffnete sich die Tür, und Kilian von Ährenfels trat ein.
    «Was ist denn hier los?»
    Moritz stieß hörbar die Luft aus.
    «Adam will uns verlassen.»
    «Warum das denn? Solltest du nicht warten, bis unser Vater zurückkehrt?»
    Eva schüttelte den Kopf. Ihre Stimme zitterte, als sie antwortete.
    «Verzeiht, gnädiger Herr, aber ich kann nicht länger bleiben. Ich muss heim nach Wien, gleich morgen früh. Mein Oheim ist verstorben, und ich soll sein Erbe antreten.»
     
    Als sich Eva am nächsten Morgen kurz vor Sonnenaufgang zur Abreise rüstete, fand sie ein Papier, unter der Tür durchgeschoben. Sie faltete es auseinander und hielt es unter der Dachluke gegen das fahle Licht der Morgendämmerung. Es brauchte einen Moment, bis sie erfasste, dass so etwas wie eine Landkarteaufgemalt war. Die Umrisse des Sees waren zu erkennen, der Bach, der hineinmündete, der Erlenbruch. Ein Stück südlich davon das große Waldstück, das sich gegen die Berge hin erstreckte. Und dort, mittendrin und mit einem dicken Pfeil versehen, war ein Haus eingezeichnet.
    Das musste das alte Jagdhaus der Edlen von Ährenfels sein. Eva hatte gehört, dass es leer stand, seitdem der alte Roderich sich ein kleines Schlösschen nicht weit von der Burg hatte erbauen lassen. Sie sah erneut auf die Zeichnung. Ein einziges Wort stand darunter, in schwungvollen Lettern: Moritz.

29
    Die Hufspuren auf dem Waldweg verrieten Eva, dass hier vor kurzem ein Pferd entlanggegangen sein musste. Ihr Herz schlug heftiger. Wenn im Jagdhaus tatsächlich Moritz von Ährenfels auf sie wartete – was wollte er dann noch von ihr? Hatte er etwa Mitleid? Weil sein Bruder ihr nicht mal einen Bruchteil des vereinbarten Lohnes ausbezahlt hatte? Oder wollte er sich einfach von ihr verabschieden? Aber dazu hätte er sie nicht ins Jagdhaus bestellen müssen.
    Wahrscheinlich beging sie einen aberwitzigen Fehler, indem sie seiner Aufforderung folgte. Sie wollte weder aus Mitleid eine Handvoll Groschen zugesteckt bekommen noch irgendwelche Freundschaftsbekundungen zu ihrem Abschied – schon gar nicht von einem Mann, von dem sie sich wider alle Vernunft den Kopf hatte verdrehen lassen!
    Als sie unter dem Begrüßungsgebell von Moritz’ Jagdhund den Hof vor dem verwitterten Holzhaus betrat, war es zur Umkehr zu spät: Der Junker stand im Türrahmen und sah sie mit festem Blick an.
    «Eva!»
    Ganz ernst sprach er ihren Namen. Dann pfiff er seinen Hund heran, fasste Eva beim Arm und führte sie ins Haus, hinein in die kleine, holzgetäfelte Stube, in der schon ein Feuer im Kamin flackerte.
    Dort betrachtete er sie stumm.
    «Was wollt Ihr noch von mir?», fragte sie mit rauer Stimme. Etwas in ihrem Inneren zog sich schmerzhaft zusammen. So nah bei ihm zu sein, sie beide ganz allein in einem Raum – das war kaum auszuhalten.
    Er deutete auf einen Tisch in der Ecke, und jetzt erst sah Eva das weinrote Kleid aus glänzender Atlasseide mit feinem Spitzenkragen und offenem, dunkelgrün unterfüttertem Rock, das über die Tischplatte gebreitet lag. Daneben fanden sich ein Paar zierlicher Lederschuhe mit silbernen Schnallen sowie ein mit Perlen besticktes Samthütchen, wie es adlige Damen bei der Jagd trugen.
    «Zieh das an, bitte.»
    Eva trat an den Tisch und strich über den weichen Stoff des Kleides. Es war wundervoll gearbeitet, das sah sie auf den ersten Blick.
    «Es gehört dir.»
    Sie fuhr herum. «Aber warum? Was soll das?»
    «Bitte, Eva!», sagte er mit flehendem Blick. «Tu es mir zuliebe. Ich möchte dich endlich sehen als das, was du bist – eine Frau. Ich will mich nicht länger mit Trugbildern quälen müssen. Du ahnst nicht, in welche Abgründe du mich gestürzt hast. Seit deiner Ankunft habe ich mich jeden Tag mehr als widernatürliche Kreatur empfunden, als abartiges, sodomitisches Ungeheuer. Nur, weil ich mich zu dir hingezogen fühlte! Und dabei habe ich doch die ganze Zeit die Wahrheit geahnt.»
    Er drehte sich zur Wand.
    «Bitte, zieh es an», wiederholte er.
    Zögernd entkleidete sie sich bis auf ihr dünnes Leinenhemd, dann streifte sie sich das Kleid über. Es saß wie angegossen. Sie schlüpfte in die Schuhe, die nur ein wenig zu groß waren, und setzte sich das Hütchen auf die Locken.
    «Ihr dürft Euch umdrehen.»
    «Endlich!» Moritz von Ährenfels sank vor ihr auf die Knie, und Eva wurde rot vor Verlegenheit. Plötzlich musste sie lauthals

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