Die Vagabundin
gleich darauf in einer Gischtfontäne dicht neben ihr ins Wasser zu klatschen. Damit war Eva endgültig von oben bis unten nass.
Prustend tauchte er wieder auf.
«Los, du Hasenfuß! Komm schon.»
Mit diesen Worten packte er sie bei Schulter und Hüfte und zerrte sie ins Wasser. Sie wehrte sich mit all ihrer Kraft. Was der Junker vielleicht als spielerische Rauferei ansehen mochte, wurde für sie zu einem bitterernsten Kampf.
«Lasst mich los!» Sie schnappte nach Luft, während ihrTränen des Zorns in die Augen schossen. «Lasst mich los, um Himmels willen!»
Da geschah das Schlimmste: In dem Gerangel musste sich ihre Brustbinde gelöst haben, plötzlich wand sie sich wie eine weißliche Schlange an die Wasseroberfläche, während ihre kleinen, runden Brüste sich überdeutlich unter dem nassen Hemdstoff abzeichneten.
Als habe er sich die Hände verbrannt, ließ Moritz sie los.
«Eva! Ich hab’s geahnt. Ich habe es immer geahnt.»
Sie stieß ihn von sich weg, griff nach der Binde und stolperte über glitschige Steine, durch grünes Geschlinge zum Ufer zurück, packte dort ihre restlichen Kleidungsstücke ein, lief über die Wiese, quer durch den Erlenhain, einen Hang hinauf bis zu dem Feldweg, der sich in Richtung Herrenhof schlängelte. Dort blieb sie mit keuchendem Atem stehen.
Alles war aus. Wie hatte es nur so weit kommen können? Im Schutz eines dichten Buschwerks legte sie sich wieder die Binde um, so fest diesmal, dass es schmerzte, und machte sich auf den Heimweg. Den See umging sie, ohne Eile jetzt, in einem großen Bogen, nur der Lärm verriet ihr, wo in diesem Augenblick das Fass Bier angestochen wurde und der Spaß erst richtig losgehen würde.
Mit mürrischem Gesicht öffnete der Rotbart ihr die Pforte. Bis auf einen Wächter, der, mit Kurzschwert bewaffnet, vor dem Herrenhaus patrouillierte, war der Hof wie ausgestorben und empfing sie mit gespenstischer Stille. Auch die Werkstatt war menschenleer. Sorgfältig legte sie die Wäsche- und Kleidungsstücke zusammen, sortiert nach drei Stapeln: fertigen, halb fertigen und unberührten. Dann stopfte sie ihr Werkzeug in den Lederbeutel und verließ den Raum, ohne sich noch einmal umzudrehen. Auch auf die Gefahr hin, dass ihr kein einziger Heller ausbezahlt würde, wollte sie morgen früh ihren Abschied einreichenund sich erneut auf Wanderschaft machen. Und damit einmal mehr etwas zurücklassen, was ihr fast zu einem Zuhause geworden war.
In ihrer Kammer warf sie sich aufs Bett und starrte an die Dachschräge über ihr. Sie war unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen. Immer wieder erschien ihr das Gesicht des Junkers. Seine in heillosem Schreck aufgerissenen Augen, die auf ihre Brüste starrten. Oder war es gar nicht der Schreck, der ihn so starren ließ? Hatte er nicht gesagt, er habe es geahnt? Hatte er diese Situation womöglich willentlich herbeigeführt?
Bei Einbruch der Dämmerung hörte Eva, wie sich unter Knarren und Ächzen das Haupttor öffnete, kurz darauf drangen laute Stimmen und ausgelassenes Gelächter über den Hof. Sie wartete noch einen Augenblick, bis sich der Lärm gelegt hatte, dann schlich sie auf Umwegen, um niemandem zu begegnen, hinüber ins Herrenhaus und klopfte an das Gesindetürchen. Einer der Diener öffnete.
«Was willst?»
«Ich muss zum Kämmerer. Es geht um meinen Lohn.»
«Wart hier.»
Als sie kurz darauf in die kleine Kanzlei geführt wurde, erwartete sie dort nicht der Kämmerer, sondern Moritz von Ährenfels.
«Was tut Ihr hier?», stammelte Eva. «Wo ist der Kämmerer?»
«Im Dorf.»
«Und der Hofmeister?»
«Besoffen in seiner Kammer.» Er trat auf sie zu. Für einen Moment sah es aus, als wolle er ihre Hände nehmen, doch dann verschränkte er die Arme vor der Brust.
«Ich war eben in der Werkstatt.» Er stockte. «Du willst also fort?»
«Ja. Ich kann ja nun unmöglich länger bleiben.» Eva blickte zu Boden. «Ihr habt das mit Absicht getan!»
«Was?»
«Mich ins Wasser gezerrt. Mit mir – gerauft.»
Moritz wandte sich zur Seite und ging mit schwerem Schritt vor dem Schreibtisch des Kämmerers auf und ab.
«Was glaubst du, wie ich mich gequält hab die letzten Wochen? Was mir für wunderliche Gedanken gekommen sind! Und dann die Sache mit dem Messer, mit deiner angeblichen Base. Ja, ich habe es mit Absicht getan. Ich hab dir am See aufgelauert, weil ich es wissen musste!»
«Was für wunderliche Gedanken?» Eva trat ihm in den Weg. Das war ohne Zweifel unverschämt angesichts des
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