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Die Vagabundin

Die Vagabundin

Titel: Die Vagabundin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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Bilsensamen ins Bier getan?»
    «Bilsen?»
    «Das beste Mittel, um ein Madl gefügig zu machen. Oder einen Burschen außer Gefecht zu setzen und ihn dann auszurauben. Hast du davon nie gehört?»
    «Nein.» Eva fror und schwitzte gleichzeitig und hatte nur den einzigen Wunsch, wieder einzuschlafen.
    «Kein Bilsen», flüsterte sie noch, dachte an die zwei Schlückchen Branntwein, die Anselm ihr aufgedrängt hatte, dann hatte sie es geschafft und war wieder eingeschlafen.
     
    Die nächsten Tage vergingen zwischen fiebrigem, unruhigem Schlaf und kurzen Phasen, in denen sie mehr oder weniger wach lag und nassgeschwitzt darauf wartete, dass ihr jemand zu trinken gab.
    Sie war jedes Mal heilfroh, wenn statt des Siechenknechts die Spitalmutter nach ihr sah. Die hieß, wie Eva bald erfuhr, Kathrin Barreiterin und war eine ledige Frau von bereits um die dreißig. Gerade dieser Altersunterschied war es, der es Eva angetan hatte: Die Barreiterin umsorgte sie in einer so sanften, mütterlichen Art, dass es Eva vor Dankbarkeit fast die Tränenin die Augen trieb und sie sich bald selbst wie ein kleines Kind vorkam. Kein Wunder, dass sie die Frau im Fieberwahn für ihre eigene Mutter gehalten hatte!
    Hin und wieder erwachte Eva davon, dass die Frau in ihrem schlichten braunen Gewand und der stets blitzsauberen Schürze an ihrem Bettrand saß, ihre Hände umschlossen hielt und leise betete. Meist bat sie um Fürsprache der Heiligen, rief Sankt Vitus an oder Elisabeth von Thüringen und verriet damit, dass sie dem alten Glauben anhing. Wenn Eva dann die Augen aufschlug, forderte sie sie mit einem Lächeln auf, ins Gebet mit einzustimmen. Ohne göttliche Barmherzigkeit gebe es keine Heilung, waren ihre Worte, und auch, dass Christus selbst der höchste aller Heilkundigen sei.
    Als Spitalmutter war die Barreiterin hier im Siechenhaus die rechte Hand des Spitalmeisters Heinrich Winklmair, der mit Hilfe einer Schar von Taglöhnern, Knechten und Mägden, von Müller und Bäcker, Bader und Schreiber, Küster und Braumeister die alltäglichen Geschäfte des Spitals besorgte. Trotz dieser Aufgabenfülle ließ es sich Heinrich Winklmair nicht nehmen, jeden Morgen bei den Kranken hereinzuschauen. Ganz im Gegensatz zu den Herren Spitalräten, die man in der Krankenhalle kaum je zu Gesicht bekam – genauso wenig im Übrigen wie einen städtischen Wundarzt oder gar gelehrten Physikus. Dafür schneite immer wieder der Bader herein, ein quirliges Männchen mit langem, schütterem Grauhaar und einer durchdringend hohen Stimme. Sixtus Hasplbeck stand im Ruf, ein heimlicher Apotheker und wahrer Hexenmeister in der Herstellung von Heilmitteln zu sein. Neben seinen Schröpfköpfen und dem Gläschen mit frischen Blutegeln, die er in den Donauauen einsammelte, hatte er immer allerlei widerliches Zeug dabei: gepulverte Hechtzähne und Wolfskrallen, gedörrte Kröten, Schlangen und Augen von Flusskrebsen, kostbare ägyptischeMumia oder Geiersalbe aus den Innereien des Aasgeiers. Gegen Nierensteine empfahl er Maulwurfsasche, Bocksblut gegen Wechselfieber und frischen Schafsmagen gegen Scharbock.
    Wenn Eva ihn nur schon von weitem hörte, verkroch sie sich, obgleich ihr Kopf und Glieder noch so sehr schmerzten, unter ihrer Decke und betete, dass dieser Mann unverrichteter Dinge an ihrem Bett vorübergehen möge. Dafür traf es hin und wieder den Greis an ihrer Seite. Dem hatte Meister Hasplbeck einmal in Bier gekochte Regenwürmer eingeflößt, mit dem Ergebnis, dass der Alte den ekligen Glitsch postwendend wieder ausspuckte und damit im gesamten Bett verteilte. Ihre sämtlichen Decken und Kopfkissen mussten ausgewechselt werden, und Eva konnte von Glück sagen, dass ihr Hemd nichts abbekommen hatte. Sonst wäre womöglich ihr größter Alb wahr geworden: dass man sie ausgezogen und ihren Betrug entdeckt hätte!
    Eines Morgens hörte sie, wie der Bader sich an ihrem Bett mit der Barreiterin unterhielt, und stellte sich wohlweislich schlafend.
    «Was also, liebe Barreiterin, glaubt Ihr? Werden sich diese Anfälle wiederholen?» Hasplbecks Stimme klang schmeichelnd, fast so, als habe der Alte ein Auge auf die Spitalmutter geworfen.
    «Ich weiß nicht recht. Anfangs dachte ich ja, es sei ein exemplarisches Beispiel von Chorea Sankt Viti oder auch der fallende Wehtag. Zumal seine Glieder die ersten beiden Nächte nicht zur Ruhe kamen. Dazu hatte er solch wirre Geschichten erzählt, dass mir angst und bange wurde.»
    «Wollt Ihr meine Meinung hören? Dieser

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