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Die Vagabundin

Die Vagabundin

Titel: Die Vagabundin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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Donaustrom mündet und es nur noch ein Steinwurf bis nach Regensburg ist. Jetzt schon war Evas Geldkatze prall genug gefüllt, um damit eine Schiffsreise bis Ulm zu begleichen. Der Gedanke, in dieser größten der freien Reichsstädte den Winter zu verbringen, war um einiges verlockender, als im kalten Nordgau von Stadt zu Stadt zu ziehen und bei einer Zunftstube nach der anderen anzuklopfen.
    Ganz gewiss hätte sie ihr Ziel noch vor Monatsende erreicht, hätte nicht im letzten Moment dieser Mensch ihren Weg gekreuzt, der ihr schon damals, vor langer Zeit, zutiefst verdächtig gewesen war.

35
    «He, du Rabenaas, ich war vor dir da!» – «Halts Maul oder ich hau dir die Nase platt!»
    An der Lände vor dem Fährhaus zu Sinzing herrschte einGedränge und Geschiebe, dass es einem angst werden konnte. Ein Trupp böhmischer Krämer versuchte nicht eben zimperlich, mitsamt vollbepackten Rückenkraxen und Handkarren noch an Bord der Donaufähre zu gelangen, zugleich mit einem Pferdegespann, unter dem die rutschigen Planken des Bootes gefährlich zu schwanken begannen. In Gedanken sah Eva das schwere Fuhrwerk schon im Wasser liegen.
    Wütendes Gebrüll ließ sie zusammenzucken.
    «Zurück!» Drohend hob der Fährmann seine Lederpeitsche. «Zurück jetzt, Grutzefix! Hinter den Schlagbaum mit euch!»
    Da pfiff die Peitschenschnur auch schon über ihre Köpfe hinweg, nicht ohne dem einen oder anderen den Hut vom Kopf zu fegen. Fluchend wichen die Böhmischen zurück, endlich konnte die Fähre ablegen.
    Dieses Sinzing wäre wahrscheinlich ein ruhiges, friedliches Dörfchen von Fischern und Bauern, würde hier nicht die Nürnberger Handelsstraße vom Donaustrom unterbrochen. Wer immer also von der berühmten Messe- und Handelsstadt nach Regensburg oder weiter nach Passau oder Wien wollte, musste hier übersetzen, was für ein halbes Dutzend Fährleute eine wahre Goldgrube bedeutete.
    Eva hatte sich längst aus dem Getümmel zurückgezogen und wartete hinter der hölzernen Absperrung auf die nächste Fähre, die sich schon zum Anlegen bereit machte. Ihr war es gleich, ob sie nun eine halbe Stunde früher oder später über den Strom kam. Es war zwar ein kühler, trüber Tag, aber endlich regnete es einmal nicht.
    «Geschieht ihnen recht, diesen kreuzdummen Hinterwäldlern», hörte sie eine Männerstimme neben sich. «Jetzt müssen sie wieder hinten anstehen.»
    Eva drehte den Kopf zur Seite – und erschrak bis ins Mark. Neben ihr an der Brüstung lehnte in lässiger Pose der BettelmönchAnselm! Das heißt, für diesmal war der Bursche nicht in eine zerlumpte Kutte gehüllt, sondern wie ein reisender Schüler ausstaffiert, das Lederränzlein mit den Büchern auf den Rücken geschnallt. Eines davon lugte oben halb heraus, mit dem seltsamen Titel
Ein kurzweilig Lesen von Tyl Ulenspiegel, geboren aus dem Lande zu Brunßwick.
Auch wenn das einst glattgescherte Gesicht jetzt ein Ziegenbärtchen schmückte: Die kleinen, eng beieinanderstehenden Augen unter den buschigen Brauen ließen Eva kein Amen lang daran zweifeln, dass es dieser falsche Kuttenbrunzer war, der da neben ihr auf das nächste Boot wartete.
    «Komm, trinken wir einen Schluck, bis es weitergeht.»
    Er hielt ihr ein Fläschchen mit Branntwein unter die Nase. Ganz ruhig bleiben, dachte Eva und zwang sich, tief durchzuatmen. Nur keinen Verdacht erregen. Dann nahm sie beherzt einen tiefen Schluck.
    «Danke!», sagte sie und wandte sich ab. So unauffällig wie möglich hob sie ihr Gepäck vom Boden auf und versuchte, sich nach hinten in die wartende Menge hinein zurückzuziehen.
    «Willst du auch ins schöne Regensburg?» Die Hand des Mannes hielt ihren Oberarm wie eine Eisenschelle umklammert.
    «Was soll das?» Wütend funkelte ihn Eva an. «Lass mich los, du tust mir weh.»
    «Oh, Verzeihung.» Er ließ los, und das bekannte breite Grinsen trat auf sein Gesicht. «Ich wusste nicht, dass Gesellen so zart beieinander sind. Du bist doch Geselle, oder?»
    Eva nickte düster und zog sich den Hut tiefer in die Stirn. Ihr schwante, dass sie diesen Anselm nicht so schnell würde abschütteln können. Nun gut, bis zum Regensburger Schiffsanleger würde sie ihn ertragen müssen, danach war sie ihn los.
    «Gestatten, Anselm Fischbein, Studiosus der Hohen Schule zu Ingolstadt. Und wie heißt du?»
    «Adam», murmelte Eva. «Adam Auer. Schneidergesell.»
    «Fein, Adam.» Er stieß sie freundschaftlich in die Seite, und sie musste einen weiteren Schluck nehmen. «Dann können wir ja

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