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Die Vagabundin

Die Vagabundin

Titel: Die Vagabundin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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Adam ist einer dieser jungen Burschen, deren Blut in Wallung gerät und die sich nicht im Zaum haben, weil ihnen der nötige Glauben abgeht. So wie der Kerl hier ankam, war er eindeutig von einem Dämon besessen!»
    «Nein, nein, das glaub ich fei nicht. Das Fieber ist herunter, und seit gestern schläft er viel ruhiger. Das zeigt doch, dass meine Behandlung nach Paracelsus anspricht.»
    «Ach, Barreiterin, Ihr immer mit Euren neumodischen Rezepturen! Dieser Paracelsus war doch ein Scharlatan, ein Zahnbrecher und Hodenschneider, der sein Wissen von Henkern, alten Weibern und Schwarzkünstlern hatte.» Der Bader schnaubte verächtlich. «Diese Veitstänzer, diese vom Tanzteufel Besessenen, kann nur die Kirche wirklich heilen. Ihr seid noch zu jung, um Euch zu erinnern. Aber einstmals, als die Stadtväter noch dem alten Glauben anhingen, hat man solche Leute vor die Stadt bringen lassen, zur Kirche Sankt Vitus, draußen bei der Kartaus. Dort wurden ihre Füße mit Weihwasser besprengt, und sie mussten in roten Schuhen, worauf oben und unten mit Chrisam ein Kreuz gemacht war, um den Altar tanzen.»
    «Alles verlorne Liebesmüh», hörte Eva jetzt neben sich den Greis knurren. «Das muss gehn wie in meiner Heimatstadt: Zur Musik von Sackpfeifern lässt man diese depperten Gecken so lang tanzen, bis es sie vor Erschöpfung umhaut. Treibt das den Dämon nicht ausi, geht’s ab zum Exorzismus in die Kirch. Aber wennst mich fragst: Das einzig Wahre ist der Scheiterhaufen. Nur so lässt sich dem Satan die Seele entreißen!»
    «Dich fragt aber keiner», fuhr ihm die Barreiterin scharf über den Mund.
    Als nach zwei Wochen ganz allmählich ihre Kräfte wieder zurückkehrten, wuchs auch Evas Ungeduld. Längst sah sie sich nicht mehr als hilflose Kranke und hielt es kaum noch aus zwischen all den armen Siechen, die von früh bis spät jammerten und stöhnten. Ertrug schier nicht mehr den Anblick von diesen mit Pusteln und stinkenden Schorfkrusten bedeckten Körpern, von verdrehten Gliedern, schwarzbrandigen Zehen und Fingern, zugequollenen blutroten Augenlidern, von mitgrünlichem Auswurf oder Erbrochenem befleckten Hemden. Einer, gleich im Bett nebenan, behauptete steif und fest, seine eigene Frau habe ihm diese großen schwarzen Blattern ans Bein gehext, die er nun Tag für Tag aufs Neue aufkratzte, bis ihm die Barreiterin die Hände zusammenband. Und dann gab es welche, die die ganze Nacht auf dem Abtritt hockten, einem Holzstuhl mit ausgesägter Öffnung, der sich hinter einem löchrigen Vorhang befand, um von dort aus mit ihrem Gefurze und Geschiss die Nachtruhe zu stören und die Luft zu verpesten.
    Keinen Deut besser war der Alte in Evas Bett: Nachts, wenn ihn sein Bauch besonders plagte, wälzte er sich schlaflos unter der Decke und plärrte den heiligen Erasmus um Hilfe an. Seitdem der Knecht ihm mehrmals täglich von hinten Einläufe und von oben salzigen Kräutersud verabreichte, verbrachte der Mann allerdings mehr Zeit auf dem Abtritt als im Bett.
    «Bitte, Spitalmutter», bettelte Eva eines Morgens, als der Greis in Richtung Latrine geschlurft war, «könnt Ihr diesen stinkenden Alten nicht verlegen?»
    «Hätt ich ein Bett vakant, würd ich’s dir zuliebe tun.» Die Spitalmutter setzte sich zu ihr an den Bettrand. «Schau, Adam, er ist grad der Einzige, der mit Sicherheit nichts Ansteckendes hat. Oder willst etwa bei dem Krämer mit dem italischen Fieber liegen, der sich Tag und Nacht die Lunge aus dem Leib hustet? Oder bei dem armen Kerl mit dem Blutsturz? Ich will dich doch wieder gesundkriegen!»
    Bei diesen Worten strich sie ihr zärtlich das Haar aus der Stirn, und nicht zum ersten Mal fiel Eva auf, wie ihre hellbraunen Augen sie anstrahlten.
    «Aber ich versprech dir was: Noch ein, zwei Tage, und du bist den Alten los. Der hat nämlich nichts andres als die Würmer im Leib, und das Wurmkraut und die Klistiere werden bald ihre Wirkung tun.»
    Einmal mehr bewunderte Eva die Spitalmutter um ihr Wissen und um ihre Fähigkeiten, als am nächsten Morgen tatsächlich die Würmer abgingen. So ekelerregend sich diese Prozedur auch darstellte – ein Exemplar von zehn Fuß Länge wurde ausgeschieden, und zwar nicht in den Aborteimer, sondern geradewegs zwischen ihre Zudecken!   –, so war Eva ihren Bettgenossen danach doch wenigstens los. Sie wartete noch, bis die Barreiterin mit dem Siechenknecht und der Magd zum Mittagsmahl verschwunden war, dann erhob sie sich mühselig aus ihrem Bett, um sich die Beine zu

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