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Die Vagabundin

Die Vagabundin

Titel: Die Vagabundin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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Finsternis niederließen.
    «He, Schelle, gib schon von dem Wässerchen rüber.»
    «Eine Watschn kannst haben, sonst nix. Hast alles vermasselt mit dem Nürnberger Fuhrmann. Lässt dir von einem wie dem die Feuerbüchse abnehmen!»
    «Konnt ich was dafür?» Das war wieder die Stimme des Ersten. «Dieses verdammte Weibsstück ist schuld! Der schlitz ich den Leib auf, wenn ich sie erwisch, und nagel ihr Gedärm an den nächsten Baum!»
    «Hab ja gleich gesagt, dass Weiber bei so was Unglück bringen. Wir malochen und machen die Drecksarbeit, und das Rabenaas haut ab mit der Beute.»
    «Wer sich kreuzblöd angestellt hat, warst du! Wenn Eichel dem Alten nicht eins über die Rübe gezogen hätt, hätt man uns alle geschnappt.»
    Eva wagte kaum noch zu atmen. Ausgerechnet eine Rotte Wegelagerer hatte sich hier eingenistet! Dass das keine harmlosen Diebe waren, verrieten allein schon ihre seltsamen Namen. Wenn man sie entdeckte, wäre es aus mit ihr. Immer stärker stieg ihr jetzt ein widerlicher Geruch in die Nase, und unter ihrem rechten Hosenbein spürte sie etwas Ekles, Feuchtes. Hier hatte nicht nur jemand genächtigt, sondern auch gleich noch seine Notdurft hinterlassen!
    Ganz plötzlich und so deutlich, als sei es gestern gewesen, hatte sie jenen grässlichen Anblick wieder vor Augen: Da warsie wieder, die schmale Landstraße im Naabtal. Im blutgetränkten Sand krümmten sich die vier Leichname mit ihren abgeschlagenen Gliedern, sie und Niklas mittendrin. Sie sah den vor Entsetzen zitternden kleinen Bruder vor sich, sah sich selbst, wie sie sich zu einem der armen Opfer niederbeugte und ihm die Geldkatze vom Gürtel schnitt und sich damit in die Bande der Meuchelmörder einreihte. Das Bild verschwamm, und dann war sie es, die im Dreck lag, ihr Arm in der noch warmen Blutlache des Bauernjungen, dem der Kopf abgeschlagen war, nicht weit von ihm das halbnackte Mädchen, mit geschändetem Schoß und zertrümmertem Schädel.
    Während Eva mit einem heftigen Würgereiz kämpfte, kehrte drüben bei den Männern für kurze Zeit Ruhe ein. Nur noch Schmatzen und Schlucken war zu hören. Ganz offensichtlich machte jetzt der Branntwein die Runde.
    «Wo treffen wir eigentlich die andern Rottgesellen?» Diese Stimme klang noch sehr jung.
    «Beim Geißenwirt, wie immer. Ich sag euch, der Obrister wird uns durch die Spieß jagen, wenn wir mit leeren Pfoten kommen.»
    «Dann nehmen wir halt ’nen andern Fisch aus. Hier springen ja genug Nördlinger Pfeffersäcke rum, was, Fünfer? Kannst dann mal beweisen, ob du zu uns gehörst. Bei dem Fuhrmann hast dir ja schier ins Hemd geschissen!»
    «So stinkt’s hier, ehrlich gesagt, auch! Nach Pisse und Scheiße!»
    In diesem Augenblick krabbelte eine fette Ratte über Evas nackten Unterarm. Fast hätte sie aufgeschrien, und ihr Arm schnellte in die Höhe.
    «Verdammt, was war das?», brüllte der, den die anderen Schelle nannten. «Zünd den Kienspan an, hier ist wer.»
    «Damit man uns entdeckt, du Hornochse? Da, da hast du’s –eine Ratte, nix weiter. Jetzt gib den andern Schlauch her, der hier ist leer.»
    Quälend langsam verging die Zeit, bis die Männer endlich lautstark zu schnarchen begannen. So leise wie möglich kroch Eva aus ihrem Versteck, die Beine und Arme schmerzten vom reglosen Liegen, das Blut pochte ihr in den Schläfen. Mit unsicheren Schritten durchquerte sie den kleinen Raum, bemüht, keinen der massigen Leiber, die da auf dem Boden lagen wie Leichen, zu berühren. Dann hatte sie es geschafft. Ein klarer Sternenhimmel empfing sie draußen vor der Kate, der silberne Mond wies ihr den Weg zu einem nahen Eichenholz, wo sie sich für den Rest der Nacht im Dickicht zusammenkauerte, zitternd und mit nasser, stinkender Hose.
     
    In diesen letzten Tagen ihrer Wanderung nach Oettingen durchlebte sie ein Wechselbad der Gefühle: Ihre Sehnsucht nach Moritz war so stark, dass es schmerzte, aber ebenso groß war die Angst vor dem Augenblick, wo sie sich gegenüberstehen würden. Oftmals hielt sie beim Gehen inne, weil ihr die Luft wegblieb. Dann hätte sie am liebsten jedes Mal kehrtgemacht.
    Es war gegen Mittag, als die Ringmauer des Städtchens Oettingen aus dem Dunst auftauchte. Sie hatte noch keinerlei Gedanken darauf verwendet, auf welche Weise sie in das Grafenschloss gelangen sollte. Eines war jedoch klar: So verdreckt, wie sie war, würde nicht mal die gutmütigste Seele sie einlassen. Und Moritz wollte sie so schon gar nicht gegenübertreten.
    Mutlos kauerte sie sich

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