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Die Vagabundin

Die Vagabundin

Titel: Die Vagabundin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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beim Bröcklinhans, im
Goldenen Rad
. Schicken wir doch den Knecht hinüber.»
    Sick nickte und rief einen alten Mann heran, der reglos auf der Bank beim Eingang gesessen hatte.
    «Geh hinüber zu den Metzgern und frag nach, ob sie für einen unserer Schneiderknechte noch ein Bett haben.»
    So kam es, dass Eva keine zwei Stunden später mit gefülltem Magen und vom Wein leicht benebeltem Kopf in einem richtigen Bett lag, mit frischem, sauberem Bettzeug. Der Zunftknecht, der sie begleitet hatte, brachte ihr noch einen Krug frisches Wasser, dann ließ er sie allein in dem kleinen Schlafsaal, in dem sich noch fünf weitere Betten befanden.
    Erschöpft zog sich Eva das Deckbett über den Kopf, denn es war noch helllichter Mittag, und bedachte ihre Lage: Dass sie so freundlich aufgenommen wurde, hätte sie niemals erwartet. Der Zunft würde sie schon beweisen, dass sie schneidern konnte; sie würde gegen Kost und Unterkunft arbeiten. Zwei Wochen hatte sie Zeit, um wieder auf die Beine zu kommen, dann wollte sie sich Frauenkleider besorgen und Moritz aufsuchen. Allein der Gedanke, dass er bald zurück sein würde, nur einen Tagesmarsch von hier entfernt, ließ sie vor Glück fast weinen. Sie dankte Gott für seine Güte, dann fiel sie in einen tiefen und traumlosen Schlaf bis zum nächsten Morgen.

43
    Als Eva erwachte, blickte sie in eine ganze Schar neugieriger Gesichter.
    «Wo bin ich?», murmelte sie.
    Ein junger Bursche grinste. «In der Herberge der Metzger und Gürtler. Und was bist du für ein seltsames Kuckucksei? Hast nicht mal gehört, wie wir gestern in die Betten gestolpert sind.»
    «Ich bin Adam Portner aus Regensburg», erwiderte sie schlaftrunken.
    Ein kleiner, dicker Mann mit Schweißperlen auf der Glatze drängte die Männer beiseite. «Verschwindet jetzt, an die Arbeit mit euch!», schnaufte er und setzte sich auf den Holzschemel neben Evas Bett. Auf der Nase trug er ein paar Augengläser, was ihm trotz der groben Gesichtszüge etwas Gelehrtes verlieh. Umständlich öffnete er seine Tasche und zog ein Schwämmchen heraus, das er mit einer widerlich stinkenden Flüssigkeit tränkte. Damit tupfte er Evas zerschrammte Stirn ab.
    Sie zuckte zusammen, vor Schmerz und vor Schreck.
    «Seid Ihr Arzt?»
    «Stadtarzt von Nördlingen, ja.» Jetzt kramte er einen hölzernen Spatel hervor. «Wollen mal sehen, ob du uns keine Pestilenz einschleppst.»
    «Nein, nein, ich bin völlig gesund», stotterte sie. «Nur müde und schwach. Und dann diese Kopfschmerzen.»
    «Jetzt sperr schon den Mund auf.»
    Nachdem der Medicus ihr Rachen, Ohren und Augen examiniert hatte, legte er ihr die Hand auf die Stirn, ließ sie husten und klopfte ihr dabei den Rücken ab.
    «Kein Fieber, keine Schwellungen, nur leicht gerötete Augen», konstatierte er missmutig. «Wusste ich’s doch – MeisterSick hat wieder maßlos übertrieben in seiner Fürsorge. Wie alt bist du?»
    «Siebzehn Jahre», antwortete sie, wie immer auf diese Frage.
    «Hm. Ein wenig klein und schwach erscheinst du mir schon für dein Alter. Der Überfall neulich hat dir wohl gehörig zugesetzt?»
    Eva nickte heftig.
    «Ich komm morgen wieder. Bis dahin bleibst du im Bett und ruhst dich aus.» Er erhob sich schwerfällig und stellte ein Tränklein nebst zwei Tiegeln auf dem Schemel ab. «Von dem Trank alle Stunde zehn Tropfen auf die Zunge. Die gelbe Salbe ist für Brust und Nacken, die braune für die Schläfen, gegen das Kopfweh.»
    Ohne ein weiteres Wort verließ er den Raum.
    Der Stadtarzt war nicht der einzige Besucher an diesem Morgen. Gleich nach ihm erschien eine Magd und brachte ihr etwas zu essen, kurz darauf Meister Sick.
    «Na, geht es dem Kranken wieder besser?»
    «Ja, Meister. Ich weiß gar nicht, wie ich Euch danken soll.»
    Sick lächelte. «Wart’s ab. Wirst die teure Arznei schon noch abarbeiten. Morgen musst du übrigens mit aufs Rathaus, deine Geschichte dem Bürgermeister vorbringen. Der Knecht kommt nachher noch und bringt dir Schuhe und einen Satz anständiger Kleider. Bis morgen früh also.»
    Eva traute ihren Augen nicht, als der Zunftknecht wie angekündigt ein nagelneues Leinenhemd samt ärmellosem Wams, zwilcher Pluderhose und flachen Schuhen vorbeibrachte. Lange Strümpfe und eine kurze Schecke für kühlere Tage waren obendrein dabei.
    Gerade noch rechtzeitig hatte sich Eva alles übergestreift, als schon wieder die Tür aufsprang. Nach und nach marschiertensämtliche Schneider Nördlingens herein. Die meisten trieb die Neugier, das war

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