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Die Vagabundin

Die Vagabundin

Titel: Die Vagabundin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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verlassen hatten, heimlich in seinem prallen Beutel gekramt hatte. Ganz deutlich hatte sie das Geklimper von Münzen gehört. Außerdem warf er ihr zunehmend begehrliche Blicke zu.
    Als an diesem Spätnachmittag das schöne Herbstwetter umschlug und ein plötzlicher Wind Regen brachte, suchten sie Schutz in einem Wäldchen. Eva und Niklas kauerten sich unter einen umgestürzten Baumstamm.
    «Ist es gestattet?»
    Ausgerechnet Bruder Anselm quetschte sich zu ihnen unter ihr Obdach.
    «Sackerment – was für ein gschissener Regen. Aber dahinten wird’s wieder hell.» Er deutete in Richtung Donau.
    Eva wunderte sich nicht wenig über seine Ausdrucksweise und rückte, so weit es ging, weg von seiner feuchten Kutte. Doch jetzt stieß Anselm sie mit dem Ellbogen in die Seite.
    «Hand aufs Herz: Ihr zwei seid gar nicht aus dem Waldgebirg.»
    Eva erschrak bis ins Mark. «Was wollt Ihr damit sagen?»
    «Die Torwärter in Vilshofen – die haben den Bantelhans ausgefragt, wer in seiner Truppe mitlaufe. Ob da eine Eva Barbiererin aus Passau dabei wär. Die hätt nämlich versucht, den eignen Vater abzustechen. Wenn auch ohne Erfolg.»
    Er grinste ihr frech ins Gesicht.
    Jetzt ist alles aus, dachte Eva im ersten Augenblick. Doch dann versuchte sie sich zu beruhigen. Hätte der Bantelhans Verdacht geschöpft, dann säße sie längst nicht mehr hier, sondern in Vilshofen im Turm.
    «Keine Angst», fuhr der junge Mann fort, als habe er ihreGedanken gelesen. «Unser Führer scheint dir eine solche Freveltat nicht zuzutrauen, denn er hat dem Wächter versichert, dass wir allesamt fromme Jakobspilger seien.»
    «Was redet Ihr für einen Schmarrn», platzte Eva schließlich heraus. «Wenn ich diese Eva sein soll, dann seid Ihr ein falscher Mönch.»
    Da begann der andere lauthals zu lachen.
    «Da liegst du gar nicht so falsch. Aber wenn du dein Maul hältst, halte ich meins. Hör zu – ich hab diese Papistenbande von Herzen satt. Ewig dieses Gebrabbel und Gesabbel vor jedem Bildstock! Morgen werd ich wieder meiner eignen Wege gehen. Und ich rat dir mitzukommen, samt diesem kleinen Bengel hier. Ich verspreche dir Sicherheit und kommodes Reisen» – er klimperte mit seinem Beutel   –, «und dafür verwöhnst mich a wengerl.»
    Seine Hand glitt über ihre Brüste.
    «Niemals!» Sie schlug seine Hand weg.
    «Überleg es dir.»
    Zum Glück hatte es mittlerweile zu regnen aufgehört, und ihr Führer rief zum Weitermarsch. Ihr Herz klopfte bis zum Hals, als sie Niklas packte und zu den anderen eilte. Immer wieder sagte sie sich, dass dieser falsche Mönch nichts gegen sie in der Hand hatte. Dennoch: Sie musste auf der Hut sein.
    So hielt sie sich für den Rest des Tages an der Seite eines Wanderhandwerkers namens Wenzel Edelman, seines Handwerks ein Schneider, der sich in Vilshofen zu ihnen gesellt hatte und eine freundliche und gutmütige Art zeigte. Da kein Dorf, kein Städtchen in Sicht war, suchten sie Unterschlupf in einem leerstehenden Schafstall, der zwar nach einer Seite hin offen stand, doch immerhin vor Wind und Regen Schutz bieten würde. Es war noch hell, und so bat Bantelhans den Schneiderknecht um eine Demonstration seiner Künste.
    «Mein Mantel hat einen Riss unterm Ärmel – ein ordentliches Batzerl Käse und fünf Kreuzer würd ich dafür springen lassen.»
    «Gern.»
    Aufmerksam beobachtete Eva, wie Wenzel Edelman seine Utensilien aus der Rückenkraxe zog und vor sich auf einem Tuch ausbreitete: ein Kästchen mit Nadeln, Hefteln und Garnen, zwei Scharnierscheren, Elle, Schnüre und Papierstreifen zum Maßnehmen, verschieden große Pfrieme und ein schweres Hohleisen zum Ausbügeln der Nähte. Dann hockte er sich mit gekreuzten Beinen nieder, steckte den Fingerhut auf und nahm den Mantel entgegen. Flink verrichteten seine Finger die Arbeit, während er konzentriert die Unterlippe vorschob. Keine halbe Stunde später war er fertig.
    «Gute Arbeit, Meister», lobte Bantelhans.
    «Nicht Meister», wehrte Wenzel Edelman bescheiden ab. «Ich bin nur ein einfacher Geselle, der auf der Stör sein Brot verdient.»
    «Meine Joppe hat ein Loch.» – «I hätt da au noch ebbs.» – «Ich auch.»
    Einer nach dem anderen drängte sich um den Schneiderknecht. Der lächelte bedauernd. «Das verschaff ich heut nicht mehr. Es wird bald dunkel.»
    «Vielleicht» – Eva räusperte sich   –, «vielleicht könnt ich Euch zur Hand gehen.»
    Alle Blicke waren auf sie gerichtet.
    «Kannst du denn nähen?», fragte Wenzel Edelman

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