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Die Vagabundin

Die Vagabundin

Titel: Die Vagabundin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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erstaunt. «Für eine gelernte Näherin scheinst mir reichlich jung.»
    «Mein Vater war Schneidermeister.»
    Fast hätte sie gesagt: aus dem böhmischen Glatz, biss sich aber noch rechtzeitig auf die Lippen.
    «Na, dann setz dich her. Wollen mal sehen, was du kannst.»
    Bis Einbruch der Dunkelheit verrichtete sie, ebenso konzentriert wie Wenzel Edelman, ihre Arbeit, nähte hier einen losen Saum, dort einen abgerissenen Kragen an. Als sie zur Nacht ihr Lager richtete, trat die Frau aus Passau neben sie.
    «Ich dacht, du bist aus einem Dorf im Bairischen Wald? Würd mich grad wundern, wenn es da einen Schneidermeister gibt.»
    «Gibt’s auch nicht», gab Eva schnippisch zurück. «Wir haben zuvor in Wien gelebt.»
    «Seltsam. Ich könnt schwören, ich hätt dich schon mal in Passau gesehen.»
    «Dann müsst Ihr mich verwechseln.»
    Als sie am nächsten Morgen ihr Lager abbrachen, sah Eva das Weib aus Passau mit dem Bantelhans tuscheln. Dabei blickte sie immer wieder zu ihr herüber. Die Kehle wurde ihr eng. Was, wenn sie nun entlarvt war? Wenn man sie in der nächsten Stadt dem Büttel auslieferte? Sie hatte gehört, dass sie nur noch einen Tagesmarsch von der Donaustadt Deggendorf entfernt waren. Sollte sie nicht besser das Angebot dieses Schwindlers und Bauernfängers Anselm annehmen, zumindest vorübergehend? Denn als junge Frau allein, das war ihr längst klar, dazu noch mit einem hilflosen Knaben an der Seite, würde sie niemals sicher durch die Gegend ziehen können.
    Eva zuckte zusammen, als sich ihr eine Hand auf die Schulter legte.
    «Und? Hast dir’s überlegt?»
    Anselm tätschelte ihr den Nacken.
    «Warum sollt ich?»
    «Weil dir bald der Boden unter den Füßen heiß werden könnt. Das Weib dort» – er wies mit dem Kopf zu der Passauerin – «glaubt dich nämlich zu kennen.»
    «Lasst mich in Ruh.»
    «Ich würd nicht so leichtfertig mit dem Schicksal umgehen, schon um deines Bruders willen nicht. Morgen früh werd ich mich von dieser Gesellschaft verabschieden. Bis dahin solltest dich entschieden haben.»
    Eva wandte sich ab und nahm Niklas bei der Hand. Der Junge, der alles mit angehört hatte, zitterte am ganzen Leib.
    «Hab keine Angst», flüsterte sie. «Ich find schon einen Ausweg.»
    Ohne recht zu wissen, warum, suchte sie wieder die Nähe des freundlichen Schneidergesellen. Dessen ernstes Gesicht leuchtete auf, als sie neben ihm herging. Sie fragte sich, wie alt er wohl sein mochte. Fünfunddreißig Jahre bestimmt. Vielleicht wirkte er aber auch nur so alt, mit seinem ordentlich gestutzten Ziegenbärtchen.
    «Wollt Ihr noch länger mit uns wandern?», fragte sie ihn.
    Wenzel Edelman schüttelte den Kopf. «Da vorn, bei der Burgruine, werd ich abbiegen, in die Waldberge rauf. Ich will in meinem Dorf vorbeischauen.»
    «Schade», entfuhr es Eva.
    «Das dacht ich eben auch. Du wärst mir eine gute Hilfe bei der Arbeit, geschickt, wie du bist. Aber es wird höchste Zeit, dass ich mal wieder heimkomm, zu meinen Kindern.»
    «Ihr habt Kinder?»
    «Ja. Zwei Jungen und ein Mädchen. Kleiner noch als dein Niklas.»
    Eine Zeitlang stapften sie schweigend nebeneinanderher. Eva wusste, dass die Stör- und Wanderhandwerker in der schönen Jahreszeit von Hof zu Hof zogen, um ihre Kunst anzubieten, und dann im Winter nach Hause zurückkehrten, wo die Frauen und Kinder während ihrer Abwesenheit alles am Laufen hielten. Was für ein Pech für sie, dass Wenzel Edelmans Reise schon zu Ende ging. An seiner Seite hätte sie sich sicher gefühlt, zudemhätte sie sich mit ihrer eigenen Hände Arbeit ihr Brot verdienen können.
    «Dann bleibt Ihr also für den Rest des Jahres in Eurem Dorf?», fragte sie schließlich.
    «Nein.» Edelman lächelte. «Dazu ist’s noch zu früh im Jahr. Ich will daheim nur nach dem Rechten schauen, dann geht’s weiter durch die Berge, bis der Schnee kommt.»
    Er blieb stehen. «Willst du nicht mit mir kommen? Ich bessre die Kleider aus und du die Wäsche, wie es üblich ist für Schneider und Näherin. Die Bäuerinnen werden froh sein, wenn sie alles in einem Aufwasch bekommen. Und dein Niklas kann sich auf den Höfen gewiss auch irgendwie nützlich machen.»
    «Das geht nicht. Wir müssen nach Straubing, zu unserer Muhme.» Und zu unserer Schwester, fügte sie im Stillen hinzu.
    «Nun ja, das eine schließt das andre nicht aus.»
    «Wie meint Ihr das?»
    «Wenn du es nicht allzu eilig hast und einen Umweg durch die Berge in Kauf nehmen würdest, dann komm doch einfach für drei,

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