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Die Vagabundin

Die Vagabundin

Titel: Die Vagabundin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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schienen für Gebet und innere Einkehr keine Minute übrig zu haben. Nicht einmal zum Rasten, denn ihre Wegzehrung stopften sie sich im Gehen in den Mund. So war Eva froh, als sie gegen Abend endlich ihre Unterkunft erreichten. Sehr viel länger hätte ihr kleiner Bruder diese Hatz nicht durchgehalten.
    Die Saumstation lag am Rande eines Hochmoors, eines Filzes, wie die Leute hier sagten. Das flache, langgestreckte Holzhaus duckte sich in eine Senke, die nur von Krüppelfichten und Latschen bestanden war. Eigentlich war das Ganze nichts weiter als ein Stall mit Remise, von dem ein Teil mit einer Bretterwand als Nachtlager abgetrennt war, mit einigen Dutzend Strohsäcken auf speckigem Dielenboden. Auf den Holzbänken rundum saßen bereits etliche Reisende, die Beine weit von sich gestreckt, und genossen ihren ersten Krug Bier.
    «Wartet hier», wies Edelman sie an, als sie eintraten. «Ich will uns beim Wirt anmelden.»
    Als Eva merkte, wie die anderen sie anstarrten, wurde ihr bewusst, dass sie die einzige Frau in dieser Gesellschaft war. Einige der Männer stießen Pfiffe aus, ein anderer schürzte die Lippen, um einen schmatzenden Kuss in ihre Richtung zu schicken, ein dritter, der an der Wand lehnte, grinste breit und schwenkte sein Becken vor und zurück. Eva hätte am liebstenkehrtgemacht. Stattdessen senkte sie wütend den Blick. Diese Kerle waren doch alle gleich!
    Ewig später kehrte Wenzel Edelman mit einem Becher Weißbier für jeden zurück.
    «Wir können dort hinten in der Ecke schlafen. Eva am besten ganz an der Wand», sagte er mit Blick auf die gaffende Männerrunde.
    «He, Meister», rief einer mit schweinslederner Haube, den das abgeschnittene linke Ohr als Dieb oder Betrüger brandmarkte. «Ist das nun deine Tochter oder deine Metze? Reichlich jung für den Liebesdienst, scheint mir.»
    «Halt dein lästerliches Maul», gab der Schneider ruhig zurück, «und lass uns in Frieden.»
    Sie setzten sich auf die Bank nahe ihres Schlafplatzes.
    «Mach dir keine Sorgen, Eva. Der Wirt hier führt ein strenges Regiment. Anderswo ist es schlimmer.» Fast verlegen wirkten seine Worte. «Morgen finden wir vielleicht Arbeit beim Waldmüller, da ist es dann wieder ein bisserl kommoder.»
    «Ist schon recht. Solche Mannsbilder machen mir keine Angst.»
    In Wirklichkeit war sie heilfroh, Wenzel Edelman zur Seite zu haben, auch wenn der Schneidergeselle nicht gerade der Kräftigste war. Aber er schien sich nicht so schnell ins Bockshorn jagen zu lassen.
    Nachdem sie ihre Schüssel warmes Hafermus leer gegessen hatten, legten sie sich auf ihre Strohsäcke. Eva dachte an Josefina. Wo sie wohl war in dieser Nacht? In einem behaglichen Bett bei ihrer Muhme oder draußen in der Kälte der Nacht? Hatte sie ihr Kind womöglich schon bekommen? Sie zog die schwere, nach Schweiß stinkende Pferdedecke über beide Ohren, um nicht den unflätigen Zoten der Männer lauschen zu müssen, und begann leise zu beten.
     
    Tatsächlich hatte der Waldmüller mehr als genug Arbeit für sie, und so blieben sie drei Tage in der Schneidemühle, inmitten einer nebligen Talmulde. Das hier war kein Vergleich zu den Tagen beim Hauflerbauern: Kein einziges Bröckelchen Fleisch bekamen sie zu Gesicht, in die Suppe schauten mehr Augen hinein als hinaus, und das Brot, das gereicht wurde, war steinhart. Darüber hinaus hatte der Müller ein aufbrausendes Gemüt, das er an seiner Frau und beiden Töchtern ausließ, vor allem abends, wenn er zu viel gesoffen hatte. Es ist fast schon wie daheim, dachte Eva bitter. Nur dass das Geld, das sie mit ihrer Hände Arbeit verdiente, in ihren eigenen Beutel wanderte. Des Nachts schliefen sie alle drei in einem einzigen durchgelegenen Bett, Niklas in der Mitte, aber immerhin allein in der Kammer. Von nebenan drang hin und wieder das Muhen der beiden Kühe herüber, von oben das Gezeter des Hausherrn, ab und an brünstiges Gestöhn. In solchen Augenblicken begann Edelman schnurstracks zu schnarchen, und Eva fragte sich, ob er sich damit schlafend stellte oder die Liebesgeräusche übertönen wollte. Jedenfalls war sie heilfroh, als sie endlich weiterzogen.
    Auf dieser letzten Etappe ihrer Reise war es mit dem sonnigen, ruhigen Herbstwetter zu Ende. Kalter Wind kam auf, als sie sich dem Markt Bischofsmais näherten, der sich unter ihnen ins Tal schmiegte. Wenzel Edelman deutete auf eine Burg, die sich auf weißem Fels vor dem Hintergrund eines langgezogenen Bergkamms in die Wolken schob.
    «Mein Dorf liegt dort

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