Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Vagabundin

Die Vagabundin

Titel: Die Vagabundin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
Vom Netzwerk:
Adam Portner mein Name, meines Zeichens Schneider. Ich wollte   –»
    «Ach! Schickt Euch Meister Wohlleb aus Calmunz? Na endlich – die Herrin wartet schon seit letzter Woche!»
    «Das tut mir leid.»
    «Los, los, rein mit Euch.»
    Die Magd zerrte Eva in den Hausflur und rief mit gellender Stimme: «Wohllebs Geselle ist da, Meisterin.»
    «Schick ihn herein.»
    In der Wohnstube beim Fenster saß die Müllerin, eine dralle Frau mittleren Alters, und war gerade damit beschäftigt, ein Brusttuch mit zierlichen Stickereien zu versehen. Der Raum war vollgestopft mit kostbaren Truhen und Anrichten, mit zierlichen Tischchen und Stühlen, hier stand ein bemaltes Krüglein, dort ein Zinnteller, darüber hingen Rehgeweihe und ausgestopfte Vögel. Alles war mit einer hellen Staubschicht bedeckt. Eine ordentliche Putzmagd wäre in diesem Haus weit nötiger als ein Schneider, dachte Eva.
    «Was meint Ihr, Schneiderlein», sagte die Hausherrin, ohne Eva zu begrüßen, «soll ich für die Rosen gelbes oder rubinrotes Garn nehmen?»
    «Seid gegrüßt, Meisterin.» Eva verneigte sich. «Wenn Ihr mich so offen fragt: keines von beiden. Lieber das zartrosafarbene hier. Das Blattwerk ist schon recht dunkel, und falls das Tuch für Euch selbst gedacht ist, eignet sich zartes Rosa ganz wunderbar zu Eurem schönen blonden Haar und den blauen Augen.»
    «Danke für die Schmeichelei», gab die Frau ungerührt zurück und sah auf. «Warum ist Wohlleb nicht selbst gekommen?»
    «Er lässt sich untertänigst und vielmals entschuldigen. Er wollte ja bereits letzte Woche kommen. Aber ein hartnäckiger Katarrh lässt ihn nicht aus dem Haus.»
    Sie zog eine einzelne Augenbraue hoch. «Ich hoffe doch, du bist kein Anfänger.»
    «Was glaubt Ihr? Bin zwar noch nicht lang bei Meister Wohlleb, hab aber davor bei den berühmtesten Damenschneidern im welschen Frankreich gearbeitet. Ihr müsst mich auch nur ausbezahlen, wenn Ihr zufrieden seid. So hat es mein Meister mir aufgetragen. Allerdings dann gleich auf die Hand, wegen seiner Auslagen für Apotheker und Bader.»
    «So sei es. Zwei Tage wirst du allerdings beschäftigt sein, und ich dulde keine Trödelei. Ich hoffe, der Meister kann dich so lange entbehren.»
    Hauptsache, der taucht hier nicht auf, dachte Eva und musste sich ein Grinsen verkneifen. Zum zweiten Mal verhalf ihr dieses Calmunz zum Glück! Allerdings würde sie bei ihrer Weiterreise besser einen großen Bogen um den Marktflecken machen.
    Sogar drei Tage blieb Eva in der Mühle, und zu ihrem Glück ließ sich der Schneidermeister nicht blicken, ebenso wenig wie der Hausherr oder die Hausherrin. Von frühmorgens bis zumSchlafengehen saß Eva beim Gesinde in der Küche, eine alte Magd brachte ihr Kleider, Stoffe, Borten und Bänder, und Eva nähte und flickte und besserte aus. Zur Nacht dann sank sie mit schmerzendem Rücken und brennenden Augen auf ihren schäbigen Strohsack. Reichlich ungastlich hatten die beiden Müllersgatten sie nämlich aufgenommen. Nicht nur, dass sie im Flur unter der Stiege schlafen musste wie ein gemeiner Knecht, auch die Kost war anfangs mehr als karg. Daher hatte sie sich gleich am zweiten Tag einen Festpreis für ihre Arbeit ausbedungen.
    Zu besserem Essen verhalf ihr wieder einmal eine Begabung, die sie jetzt erst, in ihrem neuen Leben als Wandergeselle, entdeckt und vervollkommnet hatte: Sie erzählte Geschichten. Gerade so wie früher für Niklas schmückte sie kleine Erlebnisse zu wahren Abenteuergeschichten aus, verwob Wahres und Erfundenes, ließ die Zuhörer zittern über Bestien und Monster, über mordbrennerische Buben und Unholde, ließ sie mit großen Augen staunen und weinen über wundersame Errettungen.
    So saß sie auch hier, in dieser Küche, kaum jemals allein bei ihrer Arbeit. Nicht nur die Köchin und die junge Spülmagd, die ihr die Tür geöffnet hatte, hingen an ihren Lippen. Auch die Knechte des Müllers, der Hirtenjunge und die reichliche Kinderschar der Meistersleute steckten immer wieder mal den Kopf zur Tür herein.
    Doch da war noch etwas, was sie anfangs sehr verunsichert hatte: Die Frauenwelt war von ihr fasziniert. Eva konnte sich diese Wirkung nicht recht erklären, vielleicht lag es daran, dass sie so gar nichts Gockelhaftes, noch Rohheit oder Großmäuligkeit ausstrahlte, sondern ihr männliches Gehabe eher scherzhaft und frech daherkam und somit keinerlei Bedrohung darstellte. Die Jungfern jedenfalls begannen fast immer irgendwann mitihr zu kokettieren, und die Alten

Weitere Kostenlose Bücher