Die Vampir-Brüder
konnte, wenn er mal unten lag.
Sheila musste hart schlucken, bevor sie in der Lage war, den Namen zu flüstern.
»Bill... Bill? Hörst du mich?«
Erst als Sheila einen Schritt nach hinten wich, befand sie sich in einer relativen Sicherheit. Ihre Beine waren weich geworden, was auch Evelyn merkte. Sicherheitshalber stützte sie Sheila Conolly ab.
»Wir müssen ihn da rausholen!«
»Ja, stimmt. Aber wie wollen Sie das schaffen? Das bringen wir beide nicht fertig, glauben Sie mir.«
»Wir müssen ein Seil holen.« Sheila trat mit dem rechten Fuß auf und drehte Evelyn das verzerrte Gesicht zu. »Ich glaube einfach nicht, dass er tot ist.«
»Das will ich auch nicht hoffen. Aber wer wird uns helfen?«
»Es gibt genügend Menschen hier. Ich renne zu den Häusern und hole Hilfe.«
Sheila drehte sich vom Schacht weg zu Evelyn. Deren Augen waren weit aufgerissen, und sie starrte an ihr vorbei.
»Da...« Evelyn deutete an Sheila vorbei.
Sheila folgte der Richtung des Fingers, der auf die beiden Statuen deutete, deren Existenz sie schon vergessen hatte.
Um so brutaler wurde sie daran erinnert!
Es gab sie noch.
Aber sie waren keine Statuen mehr. Alles Täuschung, alles ein Irrtum. Die beiden waren erwacht, sie lebten, und sie drehten sich den beiden Frauen zu...
***
Was sie dachten oder ob sie überhaupt etwas dachten, war ihnen nicht anzusehen, denn jetzt waren sie zu Statuen geworden, die unbeweglich auf dem Fleck standen und etwas Unheimliches erlebten. Das Erwachen des Bösen.
Etwas schien sie zu fesseln. Es war unheimlich. Es war kalt. Es war nicht zu erklären, aber es war vorhanden. Dieser Hauch des Bösen und Grausamen, der von keinem Menschen stammte, sondern aus der Hölle gekrochen sein musste.
Die beiden Blutsauger vor ihnen waren Geschöpfe der Hölle. Wesen der Nacht, der Schrecken vieler Menschen. Die Wesen aus ihren schlimmsten Albträumen.
Vampire...
Nicht mehr steif, nicht mehr tot. Durch die Dunkelheit erwacht und durch die Hilfe eines schalen Scheins, der sich seinen Weg durch die Dachöffnung bis nach unten bahnte und diese Plattform traf.
Es war der Vollmond!
Er stand perfekt über der Kirche, als hätte ihn jemand gegen den dunklen Himmel gemalt. Sein Licht war ein Streifen, das die beiden dunklen Gestalten erwischte und ihre Gesichter hervorhob. Es waren Fratzen. Grau und trotzdem bleich. Mit breiten Mündern, in dessen Winkeln das getrocknete Blut der Opfer klebte.
Horror live!
Sie bewegten sich. Sie waren noch müde, aber in den dunklen Augen schimmerte bereits die Gier. Sie hatten lange warten müssen, aber der Tag war vorbei, und sie würden in ihre Welt hineingleiten, in diese düstere Herbstnacht.
Keiner von ihnen atmete. Was aus ihren Mäulern drang, war ein unheimlich klingendes Keuchen, vermischt mit einem Knurren, das tief in der Kehle geboren wurde.
Sheila konnte ihren Blick nicht von diesen beiden Gestalten abwenden, die sich glichen.
Wie Brüder...
Vampir-Brüder!
»Gütiger Himmel«, flüsterte Evelyn. »Das kann nicht wahr sein. Das gibt es nicht. Das ist ein Albtraum.« Sie wich zurück. Schwindel hielt sie umfasst, und sie hatte Mühe, wieder eine klare Sicht zu bekommen.
Sie schaute auf Sheila’s Rücken. Die Frau stand unbeweglich vor der Luke. Sie war nicht in der Lage, sich zu bewegen. Im Gegensatz zu den Vampiren.
Alles machten sie gemeinsam. Sie reagierten wie Brüder oder wie Zwillinge. Der eine tat nichts ohne den anderen. Sie streckten ihre Arme vor und schüttelten sich, um den letzten Rest der Müdigkeit aus ihren Körpern zu bekommen. Ihre grauen Gesichter sahen widerlich aus, und sie hatten auch die Mäuler geöffnet, sodass ihre Vampirzähne zu sehen waren.
»Sheila!«
Die Frau reagierte nicht.
»Verdammt, Sheila, wir müssen hier weg!«
»Nein!«
»Komm jetzt!«
»Nein, nein. Bill ist...«
»Hör auf!«, schrie Evelyn gegen den Rücken der Frau. »Es geht jetzt um uns. Ich will nicht, dass sie mich beißen. Ich will mein Blut behalten. Ich will nicht sterben. Ich bin keine menschliche Zapfsäule...«
Das alles hatte auch Sheila Conolly gehört, aber die Stimme der Sprecherin schien sich hinter einem Vorhang zu verbergen, so schwach war sie zu hören.
Die Vampir-Brüder wollten nicht mehr auf dem Podest bleiben. Sie hatten sich geduckt. Sie bewegten die Augen, sie suchten bereits nach dem ersten Opfer.
Das musste Sheila einfach sehen. Nur reagierte sie nicht und sah aus wie eine Frau, die sich dem Kampf stellen wollte.
Evelyn
Weitere Kostenlose Bücher