Die Vampir-Brüder
Wieso?«
»Du solltest vorsichtig sein.«
Er winkte ab.
»Bisher ist nichts passiert. Außerdem ist es draußen noch hell. Es ist keine Vampirzeit. Aber keine Sorge, ich weiß schon, auf mich Acht zu geben.«
»Ja, gut...«
Bill ließ die Frauen zurück.
Er hatte den Eindruck, dass es auf der gegenüber liegenden Seite noch dunkler war, aber in der Dunkelheit baute sich auch etwas auf oder schob sich hervor.
Es war ein Denkmal. Es wurde von Schatten umwallt, aber auch von einem fahlen Lichtstreifen, der sich seinen Weg durch die Decke nach unten bahnte. Bill sah es nicht, er glaubte nur, dass sich unter oder in der Decke eine Öffnung befand, durch die das Tageslicht in einer langen Bahn sickern konnte, um das Ziel und den Mittelpunkt dieser ungewöhnlichen Kirche zu erreichen.
Bill bewegte sich mit möglichst lautlosen Schritten. Obwohl er sich von diesem noch nicht erkennbaren Gegenstand angezogen fühlte, fragte er sich, ob er alles richtig gemacht hatte. Er bewegte sich auf fremdem Terrain und konnte sich leicht vorstellen, ein Tabu gebrochen zu haben. Dieses ungewöhnliche Haus, das er selbst nicht als Kirche ansehen wollte, passte ihm überhaupt nicht. Er war darin ein Fremdkörper, der von dem, was zwischen den Mauern steckte abgestoßen wurde.
Der Reporter konnte es sich nicht erklären. Auf der anderen Seite war er kein Neuling in diesem Geschäft. Er kannte die Gesetze und die Regeln, nach denen die Mächte der Finsternis existierten.
Etwas Böses umgab ihn. Jeder Stein in der Mauer schien dieses Böse auszuatmen. Es traf ihn wie ein kalter Hauch, und aus der Düsternis schälte sich das, was er am Eingang der Kirche noch verschwommen gesehen hatte, immer deutlicher hervor.
Wenn ihn nicht alles täuschte, waren es zwei Gestalten. Menschliche Maße, aber größer als Menschen, was daran lag, dass die Gestalten erhöht standen.
Man hatte sie auf einen Altar gestellt. Es waren die Beherrscher der Kirche, die Götzen, denen das Haus geweiht worden war. Düster und abstoßend. Von ihnen ging ein Flair aus, mit dem Bill seine Schwierigkeiten hatte. Auch als er noch näher herangekommen war, konnte er sie kaum besser sehen.
»Bill?« Sheila’s ängstliche Stimme wehte durch die Kirche.
Er blieb stehen und drehte sich um.
»Was siehst du?«
»Zwei Gestalten.«
»Und?«
»Sie sehen aus wie versteinert.«
»Vampire?«
»Nein oder ja. Ich weiß das nicht so genau. Es ist einfach zu düster, und ich habe auch keine Lampe.«
»Willst du nicht lieber zurückkommen?«
»Ich will sie genauer sehen. Noch ist es etwas hell.«
»Aber gib Acht!«
»Keine Sorge.«
Bill hatte seine Frau beruhigt. Er selbst war nervöser geworden. Seine Hand fuhr unter die Jacke. Dort steckte die Beretta, die ihm schon manches Mal einen guten Dienst erwiesen hatte.
Er suchte die starren Figuren nach irgendwelchen Hinweisen auf Gefahren ab, aber er entdeckte nichts. Sie blieben unbeweglich. Sie waren dunkel, was auch an ihrer Kleidung lag. Sie standen hochaufgerichtet und schauten in die Kirche hinein. Bill fiel auf, dass ihre Gesichter heller waren. Allerdings nicht weiß oder mit normaler Hautfarbe versehen, nein, sie kamen ihm wie gezeichnet vor. Bemalt mit dunkler Asche, sodass auf der helleren Haut Streifen oder kleine Gräben zu sehen waren.
Das Licht sickerte von oben her durch die Öffnung. Es gab den beiden einen blassgrauen Mantel. Der Blick in die Gesichter ließ Bill erneut frösteln. Er dachte daran, dass es nicht unbedingt Statuen sein mussten, auf die er zuging. Das konnte auch etwas anderes sein, was die Menschen hier anbeteten. Er fröstelte noch stärker, und er hörte plötzlich das Stöhnen.
Bill biss sich auf die Zähne. Er hatte das Geräusch nicht ausgestoßen. Es konnte nur von den beiden stammen. Sein Herz schlug schneller, und Erinnerungsfetzen jagten durch seinen Kopf.
Er sah wieder den Film vor sich. Er erinnerte sich an die Spuren im Sand, die von zwei Personen hinterlassen worden waren. Und hier standen zwei vor ihm.
Er zog die Waffe.
Das Stöhnen war verklungen. In den folgenden Sekunden wurde es totenstill. Für ihn gab es keinen Zweifel mehr, dass die beiden lebten. Sie waren nur nach außen hin tot, und sie bestanden auch nicht aus Stein, wie er zuerst geglaubt hatte.
Es war genau die Zeit, die den Vampiren so lag, um allmählich zu erwachen. Die Stunden der Helligkeit hatten sie hier in dieser zweckentfremdeten Kirche verlebt, geschützt durch die Düsternis. Sie brauchten keine
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