Die Vampir-Brüder
hören, weil die Verbindung schlecht war. Es gab sie noch, aber ein Rauschen machte es mir fast unmöglich, Bill’s Stimme zu verstehen.
Ich rief mehrmals seinen Namen. Suko ging mit der Geschwindigkeit herunter. Er sah mich, wie ich nach vorn gebeugt auf meinem Sitz saß, das Handy am Ohr.
Der Schweiß war mir auf die Stirn getreten. Das Herz schlug schnell, denn was ich gehört hatte, putschte mich auf.
Der Empfang klappte wieder.
»John, verdammt. Hörst du mich?«
»Im Moment schon. Wo steckt du?«
»In einer Kirche und in einem verdammten Loch.«
»Was?«
»Ja, verflucht. Es ist eine Kirche in Old Harbour. Aber keine normale. Sie ist verflucht worden. Man hat sie zweckentfremdet, und ich bin in die Falle gegangen. Vor dem Altar befindet sich eine Fallgrube, die kaum zu erkennen ist...«
Die Verbindung blieb glücklicherweise bestehen, und so hörte ich, was Bill mir über sein Schicksal berichtete. Ich konnte aufatmen, weil er der Meinung war, dass es ihm gutging. Es bestand nur das Problem, dass er sich nicht aus eigener Kraft befreien konnte, aber Sorgen machte er sich um Sheila und um eine Frau namens Evelyn Dolan.
Ich fragte nicht, wer sie war, das war im Moment nicht wichtig. Ich hörte nur zu und erfuhr, dass Sheila und sie sich auf der Flucht vor den beiden Vampiren befanden.
Bill beschrieb sie mir in allen Einzelheiten und fügte dabei hektisch hinzu: »Die sehen wie Brüder aus, John. Und ich glaube, dass es sogar Brüder sind. Vampir-Brüder. Fast wie Zwillinge. Darauf geeicht, Blut zu trinken. Die Menschen in Old Harbour sind so etwas wie ihr Reservoir. Wir haben einen gesehen. Er hat die Glocken der verdammten Kirche geläutet. Die Vampire lassen es langsam angehen. Sie beißen zu, aber sie leeren die Menschen nicht sofort. Sie trinken das Blut in Etappen, und es macht ihnen nichts aus, wenn die Menschen schwächer und schwächer werden. So werden sie über Monate hinweg immer Nachschub haben, bis eben zum bitteren Ende. In Old Harbour hat das Grauen Einzug gehalten. Seid also auf der Hut. Die beiden irren durch den Ort.«
»Was ist mit Sheila und der anderen Frau?« Ich hatte mich zusammen gerissen und meiner Stimme einen möglichst ruhigen Klang gegeben.
»Ich weiß es nicht. Sie haben fliehen können. Ich glaube allerdings nicht, dass sie aus dem Ort geflohen sind. Nicht Sheila, und sie wird dazu auch kaum gekommen sein.«
»Ich habe verstanden. Und du kommst wirklich nicht aus dem verdammten Loch heraus?«
»Nein!« Bill fing an zu lachen. »So komisch es sich auch anhört, aber ich bin hier relativ sicher. Die Blutsauger haben andere Sorgen, als sich um mich zu kümmern.«
»Es dauert nicht mehr lange, bis wir dort sind, Bill. Und...«
»Nicht um mich kümmern. Nicht...« Es rauschte wieder, und wenig später war das Gespräch weg. Ein Funkloch oder was immer uns da erwischt hatte.
Ich steckte den Apparat wieder weg. Suko schaute mich an. Er hatte zwar nicht telefoniert, aber Bill hatte so laut gesprochen, dass Suko einiges erfahren hatte. Er schaute mich nicht an, der Blick war nach wie vor auf die Fahrbahn gerichtet.
»Sag alles, John.«
Ich wischte mir den Schweiß von der Stirn. Die Kehle saß zu. Ich räusperte mich frei. Die Landschaft kam mir plötzlich bedrohlich vor. Es lag nicht allein an der Dämmerung, sondern auch an meinen Gefühlen. Was Bill mir da gesagt hatte, war nicht einfach zu verkraften.
Meine Worte trafen dabei auf Suko’s offene Ohren. Sein Mund bewegte sich, doch er enthielt sich einer Antwort. Er nickte nur.
»Sie sind frei, Suko. Und sie werden sich das Blut der Menschen holen. In Etappen. Sie halten ihre Gier unter Kontrolle. Es ist Wahnsinn, beinahe schon einmalig, aber die Vampire existieren ebenfalls nach eigenen Plänen.«
»So haben sie länger etwas vom Blut der Menschen.«
»Du sagst es.«
»Okay, dann werden wir sehen, was wir machen können.« Ich hörte den Zorn aus seiner Stimme hervor. Auch Suko ist ein Mensch mit Emotionen, auch wenn er sie oft genug nicht zeigt, aber das Schicksal unseres Freundes ließ ihn nicht unberührt.
Ich dachte mehr an Sheila. Sie hatte die Kirche zwar verlassen können, war aber nun zusammen mit der anderen Frau, Evelyn Dolan, auf der Flucht.
Ich wünschte mir, dass sie in den Wagen steigen und flüchten würden. Auf der anderen Seite würde Sheila nicht ohne ihren Mann den Ort verlassen.
Wir mussten runter von der M20. Zwischen Folkestone und Dover befand sich die Abfahrt, nahe der Küste, die noch
Weitere Kostenlose Bücher