Die Vampir-Brüder
erkannte ihn jetzt. Es war der Glöckner, der sie und Evelyn gewarnt hatte. Wahrscheinlich befand sie sich in seinem Haus.
»Geht es Ihnen besser?«
»Weiß nicht...«
»Kommen Sie mit!«
Als Sheila sich nicht bewegte, zog der Glöckner sie von der Wand weg und ging mit ihr durch den Flur auf die entferntere Lichtquelle zu, die sich in einem anderen Zimmer befand. Sie stolperte leicht und wurde geführt. Der Gedanke, vom Regen in die Traufe geraten zu sein, wollte ihr noch immer nicht aus dem Kopf, und es ging ihr etwas besser, als sie Evelyn erkannte, die neben der Lampe in einem alten und leicht zerschlissenen Sessel saß.
»Du?«
»Ja. Sei froh.«
Sheila betrat das kleine Zimmer. Ihr fiel auf, dass sie nicht nach draußen schauen konnte. Vorhänge bedeckten die beiden kleinen Fenster. Hinter sich hörte sie die Schritte des Glöckners. Er fragte, ob sie etwas trinken wollte.
»Ja, bitte.«
»Gin?«
»Gern.«
»Sie auch, Evelyn?«
»Und ob.«
Der Mann ging zu einem schmalen Schrank. Sheila blieb neben Evelyn stehen und beugte sich zu ihr hinab. Sie spürte, wie Evelyn ihr Handgelenk umklammerte.
»Es ist gut, Sheila. Wir haben Glück gehabt. Trevor ist wirklich in Ordnung.«
»Heißt der Glöckner so?«
»Ja, Trevor Biggs.«
Sheila merkte die Gänsehaut auf ihrem Arm. »Aber er ist ebenfalls von einem Vampir...«
Evelyn ließ sie nicht ausreden. »Stimmt, Sheila. Nur ist er kein echter Vampir. Noch nicht. Er fühlt sich nur müde. Er kämpft gegen den Virus an. Er hasst sie. Aber er kann sie nicht vertreiben. So ist er gezwungen, mit ihnen zu leben.«
»Was du alles weißt.«
»Ich habe es mir zurechtgereimt.«
»Und sie hat recht damit!«, sagte Biggs, der auf die Frauen zukam. Er balancierte drei Gläser, die gut mit Gin gefüllt waren. Sie rochen den Wacholdergeruch, der ihnen scharf in die Nase stieg.
»Den bekommt ihr nicht zu kaufen. Ich kenne einen Freund, der ihn selbst brennt.«
Sie nahmen die Gläser und tranken.
Der scharfe Alkohol trieb Sheila die Tränen in die Augen. Sie schluckte das Zeug tapfer, musste aber dreimal ansetzen, im Gegensatz zu Evelyn, die das Glas mit einem einzigen Schluck bis auf den letzten Tropfen leerte und sich danach schüttelte.
»Manchmal muss man in den sauren Apfel beißen, um zu wissen, was gut ist«, kommentierte sie. Sie konnte wieder lächeln.
Sheila schaute sie an. Die starke Schminke im Gesicht hatte nicht mehr gehalten. Durch den Schweiß war sie flüssig geworden und am Gesicht entlang gelaufen. Jetzt sah sie aus, als hätte sie eine Maske aufgesetzt. Sie wirkte erschöpft und völlig übermüdet.
Sheila stellte das Glas weg. In den letzten beiden Minuten hatte sie sich wieder einigermaßen erholen können. Jetzt wandte sie sich direkt an Trevor Biggs, der neben einem Fenster seinen Platz gefunden hatte und die beiden Frauen anschaute.
»Danke, dass Sie uns in Ihr Haus geholt haben. Das war sehr mutig von Ihnen.«
Er zuckte die Achseln. »Ich will nicht, dass es noch mehr Opfer gibt«, erwiderte er.
»Sie kennen die Blutsauger gut?« Sheila fiel etwas ein. »Ach ja, ich heiße Sheila Conolly.«
»Ich weiß. Evelyn hat es mir berichtet.« Er schaute zu Boden. »Es fällt mir zwar nicht leicht, es zuzugeben, aber ich kenne diese verdammten Vampire.«
»Und wer sind sie?«
»Romeo und Ernesto Galka.«
»Brüder?«
»Genau.«
Sheila blies die Luft aus. Sie ärgerte sich, dass sie noch immer zitterte, aber sie konnte ihren Körper nicht kontrollieren. »Vampire fallen nicht vom Himmel, ich weiß das. Wo kommen sie her? Sie müssen entstanden sein.«
»Ja«, sagte Biggs bedächtig. »Da gebe ich Ihnen völlig Recht. Aber sie waren bereits entstanden. Und es ist die Schuld der Menschen hier, dass sie hier in Old Harbour sind, denn wir, wir haben sie geholt. Stellen Sie sich das vor.«
Sheila sah Trevor Biggs ungläubig an.
»Ich habe nicht gelogen«, gab Biggs zerknirscht zu.
Sie konnte es noch immer nicht glauben. »Aber... aber wie war das möglich?«
Der Glöckner hob die Schultern. »Es ist eine lange Geschichte.«
»Kürzen Sie sie ab, Mr. Biggs. Noch haben wir Zeit. Bitte, ich muss alles wissen.«
»Es war in einer stürmischen Nacht, und es liegt schon einige Zeit zurück. So genau weiß ich das nicht mehr. Aber ich erinnere mich, dass wir das Boot sahen, das es nicht mehr schaffen würde. Die Wellen waren zu hoch. Zudem gibt es hier Klippen, aber wir wollten die Menschen retten und haben alles versucht. Zwei von ihnen
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