Die Vampir-Brüder
Naturell her dagegen sträubte.
Es war die Flucht!
Wegrennen. In der Dunkelheit abtauchen. Sich verstecken. In die Kirche laufen, wo Bill in diesem verdammten Schacht feststeckte. Aber er hatte eine Waffe. Wenn er sie ihr gab, dann würde sie die Blutsaugerin vernichten.
Lorna griff wieder an.
Diesmal kam sie nicht an Sheila heran. Sheila huschte mit einer schnellen Bewegung zur Seite. Selbst Lorna’s ausgebreitete Arme reichten nicht aus. Die Hände verfehlten sie. Beide prallten gegen die Wand, und Sheila hörte so etwas wie einen Fluch.
Sie war schon auf dem Weg zur Haustür. Die fliehende Evelyn hatte sie nicht hinter sich geschlossen. Die Tür war gegen die Wand geprallt und zur Hälfte wieder zugefallen.
Sheila zerrte sie ganz auf. Sie wollte mit einem Satz über die Schwelle ins Freie setzen, blieb aber stehen, denn was sie da sah, glaubte sie einfach nicht...
***
Einer der Vampir-Brüder war da!
Und er war nicht allein, denn er hatte sich Evelyn Dolan geholt. Er hielt sie an ihren roten Haaren gepackt und schleifte sie einfach hinter sich her.
Evelyn lag auf dem Boden. Sie musste irrsinnige Schmerzen durchleiden, und sie schrie auch jetzt zum Steinerweichen.
Der Vampir kannte kein Pardon.
Schritt für Schritt ging er weiter, und sein Ziel war das Haus mit Sheila in der offenen Tür.
Sein Gesicht war hässlich. Alt und grau, mit Flecken von getrocknetem Blut darin. Ob er Evelyn angefallen hatte, sah Sheila nicht. Am Maul des Vampirs jedenfalls malte sich kein verschmiertes Blut ab.
Es war Sheila’s Fehler gewesen, dass sie sich von dem Anblick zu sehr hatte schocken lassen. Als sie sich zu einer Flucht entschloss, war es zu spät.
Da war der Vampir bereits zu nahe an das Haus herangekommen. Er wuchtete die schreiende Evelyn hoch und schleuderte sie auf Sheila zu. Der Körper versperrte ihr den Weg. Sheila fing die Frau ab und war mit ihr beschäftigt. Sie sah für einen Moment das Gesicht der rothaarigen Evelyn.
Es hatte sich völlig verändert. Es war nicht zu sehen, ob der Vampir zugebissen hatte. Sheila wusste auch nicht, ob Evelyn noch alles mitbekam, für sie gab es das normale Leben nicht mehr. Sie war ein Bündel aus Angst und Panik.
Sheila hatte den Stoß zwar abfangen können, war jedoch zurückgetaumelt und wäre fast über ihre eigenen Beine gestolpert.
Jetzt stand sie da.
Eingefroren. Sie schaute an der linken Schulter der Frau vorbei, die jammerte und sich an Sheila festkrallte wie eine Schiffsbrüchige an eine Planke.
Nach hinten war ihr der Weg durch Lorna versperrt. Vor ihr stand einer der Vampir-Brüder.
Sheila sah es klar und nüchtern.
Sie steckte in einer Falle!
***
Ich war bei der apathischen Familie zurückgeblieben und wusste nicht, ob es richtig gewesen war. Suko befand sich nicht mehr im Haus. Er war durch die Tür gestürmt, ohne mir Bescheid zu geben, und genau das ärgerte mich.
Wahrscheinlich hatte er einen der Blutsauger entdeckt und die Verfolgung aufgenommen.
Es gab noch einen zweiten!
Würde er kommen?
Diese Frage stellte ich mir natürlich. Ich konnte daran glauben oder auch nicht. Ich neigte mehr zum Unglauben, denn in Old Harbour gab es zahlreiche Häuser, in denen noch genügend Opfer auf ihn warteten.
Das blonde Mädchen saß im Sessel. Es ging ihm noch am besten von allen. Ich wusste inzwischen, dass die Kleine Kimberly hieß. Sie schaute mich aus ihren großen, wenn auch leider trüben Augen an. Ein paar Mal hatte sie schon angesetzt, um etwas zu sagen. Ich hatte ihr auch zugelächelt, aber nie ein Worte aus ihrem Mund gehört.
Jetzt unternahm sie wieder einen Versuch. Und plötzlich konnte sie sprechen.
»Du rettest uns, nicht?«
»Klar, Kim.«
»Ich meine es ernst.«
»Ich auch.«
»Sie kommen und holen uns. Ich habe oben Puppen, und ich will nicht, dass ihnen auch noch etwas passiert. Das ist ein Böser. Der ist aus der Hölle gekommen.«
»Nicht ganz«, sagte ich, weil ich sonst nicht wusste, was ich sagen sollte.
»Ein Teufel.«
»Nicht direkt.«
»Er beißt uns«, flüsterte sie und fuhr hoch zu ihrem Hals. »Hier oben hat er mich gebissen. Dann trank er das Blut. Wie auch das von Ma und Pa.«
Ich biss die Zähne zusammen. Mein Zorn vervielfältigte sich, aber auch das Bewusstsein, dass ich hier stand und nichts tun konnte. Ich war einfach hilflos, und so etwas ärgerte mich.
Ich spürte mein Zittern. Der Raum kam mir eng vor. Kimberly schaute wieder ins Leere. Sie wirkte so müde wie ihre Eltern, die einfach nur apathisch
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